„Wer vorne bleiben will, muss immer besser werden“

Er macht den Traum vom Fliegenwahr: Jochen Schweizer. Der ehemalige Stuntman und Extremsportler verhalf demBungee-Jumping in Deutschland zu seiner Popularität. Er steht für Nervenkitzel und besondere Erlebnisse. Diese bietet der Unternehmer, der sich damit ein Firmenimperium aufbaute, seit 2017 auch in der neuen Jochen-Schweizer-Arena vor den Toren Münchens an. „Alleine im ersten Geschäftsjahr hatten wir knapp 200 Firmenveranstaltungen und es kamen über 300 000 Besucher in unsere Arena“, zieht er die Bilanz. Attraktion sind ein vertikaler Windkanal zum Bodyflying, eine Indoor-Welle zum Surfen und ein Hochseilgarten zum Klettern inklusive Flying-Fox Parcours. Der Standort soll bis 2020 nun durch ein Hotel und Tagungszentrum für Firmen- und Mitarbeiterveranstaltungen erweitert werden. Als die Zeppelin Baumaschinen GmbH die Arena für das jährliche Kick-Off der Vertriebsmannschaft nutzte, trafen sich Michael Heidemann und Fred Cordes, Aufsichtsratsvorsitzender des Unternehmens und Vorsitzender der Geschäftsführung, zu einem Gespräch mit Jochen Schweizer.

Jochen Schweizer im Windkanal, davor Michael Heidemann (rechts) und Fred Cordes (links), Aufsichtsratsvorsitzender und Vorsitzender der Geschäftsführung bei Zeppelin Baumaschinen. Fotos: Sabine Gassner/Deutsches Baublatt

Michael Heidemann: Wir sind im Vertrieb und Service von Caterpillar Baumaschinen seit vielen Jahren Marktführer. Was muss man machen, um die Führungsposition zu behalten oder sogar auszubauen?

Jochen Schweizer: Da gibt es eine einfache Antwort: Wer vorne bleiben will, muss immer besser werden.

Fred Cordes: Das spiegelt auch unsere Einstellung wider, um unsere hohen Ziele zu erreichen.

Jochen Schweizer: Man muss immer seinen eigenen Weg suchen, denn wer anderen folgt, wird niemals vorne sein.

Michael Heidemann: Verinnerlichen Sie eigentlich solche Weisheiten, wenn Sie mit dem Fallschirm unterwegs sind oder neuerdings beim Bodyflying in Ihrer Arena durch die Luft fliegen?

Jochen Schweizer: Nein – ich habe die Fähigkeit, mir Dinge gut zu merken und Jahre später wieder abrufen zu können. Ich lerne in der Regel durch Versuch und Irrtum. Das ist mitunter schmerzhaft, aber Buddha sagte mal: Schmerz generiert Erkenntnis. Dazu gehören schwere Niederlagen, die ich hinnehmen und verarbeiten musste. Teil meines Lebens ist aber auch vieles, was großartig gelungen ist.

Michael Heidemann: 2003 gerieten Sie in eine schwere Krise aufgrund eines tödlichen Unfalls. Wie ist es Ihnen gelungen, Krisen wie diese zu überwinden und über sich hinaus zu wachsen?

Jochen Schweizer: Dazu bedarf es einer Fähigkeit, die man trainieren kann – Resilienz. In der Physik bezeichnet Resilienz die Fähigkeit eines Körpers nach einem Impact aus eigener Kraft wieder in seine ursprüngliche Form zurückzuspringen. Dieses resiliente Verhalten lässt sich auch auf die Psychologie übertragen.

Fred Cordes: Scheitern wird vielfach als Voraussetzung impliziert für späteren Erfolg.

Jochen Schweizer: So wie sich Chance und Risiko gegenseitig bedingen, bedingen sich Scheitern und Erfolg. Es braucht manchmal ein Scheitern, um aus dem Scheitern durch die Phase der Läuterung zu gehen und sich dann neu zu erfinden. Oftmals wird in den Medien zu Firmengründern gesagt: Man muss auf die Nase fallen. Das halte ich für falsch. Niemand muss das – allerdings wenn es passiert, dann muss man die neue Situation als Herausforderung begreifen, die es zu meistern gilt.

Michael Heidemann: Es wird heute gerne so leicht dahingesagt: Fehler zu machen, sei in Ordnung. Niemand muss Fehler anstreben. Sollte es trotzdem passieren, dann muss man daraus lernen und das Beste daraus machen.

Fred Cordes: Umgemünzt auf unsere Vertriebsstruktur heißt es: Wer mal ein Geschäft nicht gewinnt, sollte weiter motiviert am Ball bleiben.

Jochen Schweizer: Können Sie überhaupt verlieren? In meinen Augen kann man im Vertrieb nur gewinnen. Denn wenn Sie in einen Pitch gehen, dann haben Sie den Auftrag vorher nicht und im schlimmsten Fall eben hinterher auch nicht. Aber Sie sind reicher an Erfahrung und können aus dem Misserfolg lernen und es das nächste Mal besser machen.

Michael Heidemann: Wer sagt: Ein Kunde kauft sowieso nicht bei mir, dem rate ich immer dazu, auf jeden Fall nicht locker zu lassen, denn es gibt nichts zu verlieren, wenn sich an der Situation nichts ändert.

Fred Cordes: Sie sagten über das Bauprojekt Ihrer Arena, als Sie vor fünf Jahren damit starteten, „es geht nicht immer alles glatt. Sicher gab es Momente des Zweifels.“ Was treibt Sie immer wieder an, an Ihren Zielen festzuhalten? Jochen Schweizer: Ich habe gelernt: Nicht fürs Anfangen wird man belohnt, sondern fürs Durchhalten.

Michael Heidemann: Woran machen Sie fest, ob etwas wie Ihre neue Erlebnis-Arena als Geschäftsmodell erfolgreich sein wird?

Jochen Schweizer: In der Jochen-Schweizer-Arena tragen wir zur Urbanisierung und Demokratisierung von Erlebnissen bei, denn hier ermöglichen wir Erfahrungen, die vorher nur wenigen Menschen zugänglich waren: Um surfen zu lernen, musste man bislang an die Surfspots dieser Welt fliegen. Ebenso kommt nur eine Minderheit in den Genuss des freien Falls, Fallschirmspringer beispielsweise in dem kurzen Moment zwischen Absprung und Öffnung des Fallschirms. Nicht nur diese und weitere Erlebnisse bietet die Jochen-Schweizer-Arena – sie verfügt über ein ausgezeichnetes Restaurant, das ich nach meiner persönlichen Ernährungsphilosophie unter der Marke „Schweizer’s Kitchen“ ausgerichtet habe.

Gemeinsame Erlebnisse wie Surfen verbinden Mitarbeiter und das stärkt den Zusammenhalt im Team – auch darum drehte sich das Gespräch zwischen Jochen Schweizer, Michael Heidemann und Fred Cordes.

Fred Cordes: Vielen sind Sie bekannt aus der Gründershow „Die Höhle der Löwen“ bei VOX. Dort haben Sie als Juror in Startups investiert und führen das auch nach Ihrem Ausstieg weiter. Wie muss man Sie überzeugen, dass Sie eine Investition tätigen?

Jochen Schweizer: Hier spielen verschiedene Faktoren zusammen, wichtig ist das Gründerteam, die Personen hinter der Idee. Sie müssen sich heterogen ergänzen und bestimmte Eigenschaften mitbringen. Außerdem müssen die Hausaufgaben gemacht sein. Wer sich diese Mühe nicht macht, in den investiere ich kein Geld. Die Geschäftsidee muss einen Mehrwert für Markt und Konsumenten darstellen. Gründen um des Gründens Willen führt selten zu Erfolg.

Fred Cordes: Grundsätzlich assoziiert man Geschäfte, die mit Erlebnissen verbunden sind, mit Spaß. Doch in Wahrheit ist immer auch alles genau kalkuliert und gut vorbereitet.

Jochen Schweizer: Für den Kunden muss das Erlebnis beeindruckend, sicher und gleichzeitig konvenient sein. Mir ist es am liebsten, wenn unsere Kunden gar nicht bemerken, welchen enormen Aufwand wir in die Produktion perfekter Erlebnisse investieren.

Michael Heidemann: Gute Vorbereitung gilt nicht nur für einen Stuntman, sondern auch für einen Verkäufer von Baumaschinen.

Fred Cordes: Die besten Verkäufer sind hochdiszipliniert, bereiten sich bestmöglich vor und sind hochgradig engagiert und motiviert.

Jochen Schweizer: Ich nenne diese Eigenschaft operative Exzellenz. Operative Exzellenz ist ein wichtiger Erfolgsfaktor und bezeichnet nichts anderes, als das Streben immer sein Bestes zu geben.

Fred Cordes: Was treibt Sie eigentlich an zu Grenzerfahrungen, ob als Stuntman oder Extremsportler?

Jochen Schweizer: Reinhold Messner ist mal gefragt worden, warum er auf Berge steigt. Seine Antwort: Weil sie da sind. Ich finde, das trifft es genau.

Michael Heidemann: War es bei Ihnen schon von früh an ausgeprägt, dass Sie den Grenzbereich suchen?

Jochen Schweizer: Ich war immer bereit, mehr zu riskieren, um das Außergewöhnliche zu erleben.

Fred Cordes: Machen Rekorde und das Überwinden von Grenzen eigentlich süchtig?

Jochen Schweizer: Überhaupt nicht – Der Begriff „Sucht“ ist negativ besetzt und beschreibt etwas, das mich kontrolliert. Das ist abzulehnen. Das darf man nicht zulassen.

Michael Heidemann: Ist es eher eine Leidenschaft?

Jochen Schweizer: Ja. Besondere Erlebnisse sind eine höchst persönliche und individuelle Erfahrung. Für mich ging es stets darum, mich in meiner einen Kompetenz zu erleben – nur für mich selber.

Michael Heidemann: Viele sind heute permanent unter Beobachtung und müssen sich ständig in den sozialen Medien präsentieren.

Fred Cordes: Warum suchen manche Menschen immer wieder den Kick und stürzen sich, zum Beispiel lediglich von einem BungeeSeil gehalten, freiwillig in die Tiefe?

Jochen Schweizer: In den Psychogrammen von Menschen gibt es unterschiedlichste Konstellationen und Beweggründe, die man nicht in eine Schublade stecken kann. Erleben ist eine sehr individuelle Erfahrung. Was für den einen ein großes Erlebnis sein kann, ist für den anderen vielleicht langweilig. Es geht darum eigene Grenzen zu überschreiten, den eigenen Horizont zu erweitern und über sich selbst hinauszuwachsen.

Fred Cordes: Unter den Erlebnissen, die Sie über Gutscheine anbieten, hat sich das Baggerfahren zu einem echten Kassenschlager und quasi Markenzeichen entwickelt. Wie erklären Sie sich, dass ausgerechnet Baggerfahren so großen Anklang unter den Erlebnissen fand?

Jochen Schweizer: Ganz einfach: Männer können endlich mal baggern ohne Konsequenzen.

Michael Heidemann (lacht): Wie kamen Sie eigentlich zu der Erkenntnis, dass sich mit Erlebnissen, wie Ballon- und Porschefahrten, Wellness-Massagen oder Kochkursen ein Geschäft aufbauen lässt?

Jochen Schweizer: Kann man das Erlebnis handelbar machen, kann man das Erlebnis in eine handelbare Form bringen? An diese Idee glaubte anfangs niemand außer mir. Es gibt mehrere Gründe, die dazu führten, dass aus dieser Idee ein erfolgreiches Geschäftsmodell erwuchs. Ich habe als Unternehmer die Gesetze der Wirtschaftlichkeit stets genauso respektiert, wie ich als Stuntman die Gesetze der Physik respektiert habe. Gravität ist nicht verhandelbar. Die Cornell Studie „Why you should spend your money on experiences and not things“ kommt zu dem Schluss, dass der Befriedigungsgrad aus einer Investition von zum Beispiel 150 Euro einerseits in ein Produkt, andererseits in ein Erlebnis, zunächst ungefähr gleich hoch ist. Über die Zeit nimmt die Satisfaktion über das Investment in einen Gegenstand jedoch ab, während die des Erlebnisses bestehen bleibt und sogar zunimmt. Dies liegt vor allem daran, dass ein Erlebnis in unserer Erinnerung weiterlebt, während ein Gegenstand im Laufe der Zeit an Wert verliert, in Vergessenheit gerät oder im schlimmsten Fall verloren geht.

Michael Heidemann: Der Geld-Effekt ist dann wohl noch vergänglicher, etwa wenn es um Geldgeschenke für Mitarbeiter geht.

Jochen Schweizer: Geld ist ein Hygienefaktor. Mitarbeiter müssen ordentlich verdienen. Doch Erlebnisse sind als Incentivierung deutlich wirksamer. Wir haben erfolgreiche Prämiensysteme aufgelegt, mit denen Unternehmen den Mitarbeitern Erlebnisse vermitteln können. Beispielsweise eine spezielle Mitarbeiterkarte. Diese habe ich in meiner eigenen Firma auch eingeführt. Mitarbeiter bekommen 40 Euro monatlich steuerfrei in Form von Erlebnisbonuspunkten auf ihre Karte gebucht. Diese können sie dann in über 2 000 verschiedene Erlebnisse einlösen. Gemeinsame Erlebnisse sind der Kitt jeder sozialen Beziehung, wenn die Mitarbeiter diese Erlebnisse also mit Kollegen buchen, stärkt dies den Zusammenhalt im Team und bildet eine natürliche Verbindung unter den Mitarbeitern, die man sonst nur teuer herstellen kann.

Fred Cordes: 1987 sprangen Sie an einem BungeeSeil für Willy Bogners Film „Fire, Ice and Dynamite“ von einer 220 Meter hohen Staumauer oder 1997 aus einem Helikopter mit dem längsten BungeeSeil und der höchsten Falldistanz von 1 050 Metern, wofür es einen Eintrag ins GuinnessBuch der Rekorde gab. Welcher Rekord bedeutet Ihnen am meisten?

Jochen Schweizer: Alles im Leben hat seine Zeit. Wenn ich etwas mache, dann ist es zu diesem Zeitpunkt das Richtige für mich. Als Kanute war Kajakfahren meine Religion. Als ich vom Fallschirmspringen begeistert war, war das meine Religion. In Israel bin ich in den 70erJahren erstmals über einem alten BomberMotor in einem selbst gebauten Windkanal geflogen. Ein verrückter Pilot hat einen DC3-Motor auf ein Stahlgestell montiert und einen acht Meter hohen Zaun aus Brettern und Maschendraht außen rumgebaut. Darin konnten Sie fliegen. Einigen wenigen ist es gelungen, aufzusteigen. Dieses Gefühl, frei über dem Luftstrom in der Wüste zu schweben hat mich so mitgerissen, dass ich mich seitdem damit beschäftigt habe, wie man einen Windkanal optimieren kann.

Michael Heidemann: Mit Ihrer Arena und Ihrem Windkanal haben Sie gleich neuen Weltstandard geschaffen.

Attraktion in der Erlebnis-Arena sind ein vertikaler Windkanal zum Bodyflying, eine Indoor-Welle zum Surfen und ein Hochseilgarten zum Klettern inklusive Flying-Fox Parcours.

Jochen Schweizer: In der Tat bietet unser Windkanal Hightech vom Feinsten. Er ist von außen praktisch nicht zu hören, bis zu 300 Kilometer pro Stunde schnell und äußerst energieeffizient.

Michael Heidemann: In Ihrer Biographie beschreiben Sie, warum Menschen fliegen können müssen. Warum ist das so wichtig?

Jochen Schweizer: Diese Frage hat schon vor über 500 Jahren Leonardo da Vinci beantwortet. Er sagte, frei übersetzt: Wenn du das Fliegen einmal erlebt hast, wirst du für immer auf Erden wandeln, mit deinen Augen himmelwärts gerichtet. Denn dort bist du gewesen und dort wird es dich immer wieder hinziehen. Fliegen ist eigentlich ein Regelbruch. Denn wenn der Mensch fliegt, dann verlässt er die vermeintlich für ihn vorhergesehene Daseinsebene und begibt sich in eine Zwischenwelt, für die er nicht vorherbestimmt zu sein scheint. Man könnte sagen: Wenn die Schöpfung gewollt hätte, dass wir Menschen fliegen, dann hätte sie uns Flügel geschenkt, denn eigentlich sind wir dafür gemacht aufrecht über die Erde zu gehen. Übertragen auf unser Leben sagt uns diese Metapher, dass viele Grenzen nur im Kopf existieren. Manchmal muss man Regeln brechen um Außergewöhnliches zu erreichen.

Januar/Februar 2018