Weichen gestellt

Die einen schwören auf ihren hydraulischen Verstellausleger, die anderen wollen ihren Monoblockausleger um keinen Preis missen. Beide Varianten haben ihre Daseinsberechtigung und somit ihre Vor- und Nachteile, die genau gegeneinander abzuwägen sind. Im Fall von Rau Bau aus dem baden-württembergischen Ebhausen bei Nagold war die Sache jedoch eindeutig: Kettenbagger kommen für den Betrieb nur mit Verstellausleger infrage. Denn durch ein zusätzliches Auslegergelenk kann die Baumaschine Aufgaben anpacken, die mit dem Monoblockausleger gar nicht oder kaum zu bewältigen sind. Doch bislang war die neueste Cat Baumaschinengeneration mit Verstellausleger wie ein Cat 320 und 323 nicht verfügbar. Das änderte sich nun mit dem Jahreswechsel.

2020 startet Caterpillar mit der Serienproduktion. „Viele Kunden warten schon auf die neuen Bagger in der 20- und 22-Tonnen-Klasse, welche die integrierten Assistenzsysteme samt Verstellausleger miteinander verbinden“, erklärt Zeppelin Produktmanager Tobias Polzmacher. So wie im Fall des neuen Kettenbaggers von Rau Bau sind Funktionen wie eine Waage, eine Hub- und Schwenkbegrenzung sowie eine 2D-Steuerung samt Planierautomatik integriert. Diese Funktionen sind ein wesentlicher Grund, warum Geschäftsführer und Inhaber Michael Rau überhaupt die Baumaschineninvestition tätigte. Er ist damit der erste in Deutschland, der einen Cat 320 in Kombination mit Verstellausleger und Assistenzsystemen einsetzt.

„Mit dem Verstellausleger sind wir einfach flexibler, weil wir nicht permanent nur Baugruben oder einen Kanal ausheben, sondern auch verschiedene Arbeiten im Hochbau oder bei Sonderbauwerken im Betonbau durchführen. So ist es durchaus möglich, dass wir den Bagger auch als Hebegerät nutzen, wenn wir keinen eigenen Baukran aufstellen“

Michael Rau

so Michael Rau. Insbesondere bei Arbeiten im Tiefund Kanalbau, wenn der Löffel bis an das Laufwerk herangezogen wird, entfernte Stellen erreicht werden müssen oder das Ausschachten und Versetzen von Kanalrohren unter beengten innerstädtischen Verhältnissen zu erfolgen hat, spielt die Auslegerkonstruktion ihre Vorteile aus. „Eigentlich wollte Michael Rau schon 2018 einen Kettenbagger bestellen, doch ich empfahl ihm, damit zu warten. Denn nur mit der neuen Generation von Baggern kann er wie gewünscht Hebe- und Grabarbeiten durchführen“, äußert sich Andreas Theurer, Verkaufsrepräsentant der Zeppelin Niederlassung Böblingen.

Das 1926 gegründete Familienunternehmen Friedrich Rau GmbH & Co. KG wurde 2012 zur Zukunftssicherung neu ausgerichtet. Seit 2013 ist Rau Bau im Hoch- und Tiefbau sowie in der Erstellung von Sonderbauwerken tätig. Das mittelständische Unternehmen realisiert Projekte in der Region Nagold, Calw, Freudenstadt, Herrenberg und Böblingen. Zu den Auftraggebern gehören die öffentliche Hand, regionale Industrie und Gewerbeunternehmen sowie private Bauherren. Bislang waren Cat Baumaschinen im Maschinenpark nicht präsent – das änderte sich mit dem neuen Kettenbagger 320 und einem zusätzlichen Mobilbagger M317F. Mit dem Cat 320 steigt Rau Bau in die Maschinensteuerung im 2D-Modus ein. „3D lässt sich später problemlos nachrüsten, wenn Bedarf besteht. So machen es derzeit noch viele Kunden. Denn vielfach besteht das Problem, Planungsdaten in 3D zu erhalten“, macht Andreas Theurer deutlich. Bei Rau Bau wird auf den Baustellen mit einem Lasercatcher gearbeitet, somit lässt sich mithilfe des 2D-Systems eine Baugrube ausheben, ohne dass ein Schnurgerüst aufgestellt werden muss.

Cat Kettenbagger 320
Familienunternehmer Michael Rau (Zweiter von links), mit seiner Frau Cornelia (Zweite von rechts) und seiner Tochter Fabienne (rechts) zusammen mit Andreas Theurer (links), Zeppelin Verkaufsrepräsentant.

„Wir wollen unsere Weichen in Richtung Zukunft stellen“, äußert sich Cornelia Rau, die ihren Mann Michael im Unternehmen unterstützt und das Personalwesen leitet. Für das Familienunternehmen bedeutet dies, sich neu auszurichten, fit im Hinblick auf Digitalisierung und für die 45 Mitarbeiter auch ein attraktiver Arbeitgeber zu sein. Mit neuen und innovativen Technologien wollen wir dem Fachkräftemangel begegnen, um auch so neue Mitarbeiter anzusprechen, die an Hightech interessiert sind“, so Cornelia Rau. Der Schritt in Richtung Zukunft bezieht sich aber auch auf ihre Tochter Fabienne. Sie absolviert derzeit noch ihr Masterstudium Baumanagement an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Karlsruhe. Nach ihrem Studium möchte sie aber erst einmal einige Jahre Berufspraxis sammeln, bevor sie in den Betrieb ihres Vaters einsteigt. Im Rahmen eines mehrmonatigen Praktikums hat sie bereits vor ihrem Studium auf Baustellen im Hochbau gearbeitet. „Ich darf mich schon jetzt stark mit meinen Ideen im Unternehmen einbringen“, erklärt Fabienne Rau. Auf ihre Anregung hin wurde bereits Hilti ON!Track implementiert. Das ist eine Software zur Betriebsmittelverwaltung, entwickelt vom Werkzeughersteller Hilti. Damit kann der Standort von Betriebsmitteln erfasst werden. Rau Bau will damit die Lagerverwaltung von Geräten und Werkzeugen unabhängig vom Hersteller oder der Art des Betriebsmittels digitalisieren und somit die Arbeitsabläufe effizienter machen. Das Team von Rau Bau weiß somit immer, wo sich die Geräte und Arbeitsmittel aktuell befinden. Mitarbeiter verlieren keine wertvolle Zeit mehr mit der Suche und können so direkt die Geräte anfordern. „Solche Tools sind hilfreich, um noch produktiver zu werden“, so Michael Rau. Auch Baumaschinen und Anbaugeräte sind hinterlegt. „In der Vergangenheit wurden die einzelnen Baustellen abtelefoniert, wenn wir auf der Suche nach entsprechenden Löffeln waren. Das hat sich mit Einführung der Hilti- Software geändert“, führt der Geschäftsführer weiter aus. Um die Abwicklung zu vereinfachen, wurden die Mitarbeiter mit mobilen Endgeräten ausgestattet. So wie sie sich an diese neuen Prozesse gewöhnt haben, müssen sie sich auch mit der neuen Baggertechnik vertraut machen. Das gilt für den Umgang mit der Waage genauso wie für Grade Control mit 2D. So wurde der Tag der Sicherheitsunterweisung aller Maschinisten im Tiefbau durch die BG Bau genutzt, um die Einweisung der Baggerfahrer durchzuführen. Bevor der Fahrer mit dem Bagger arbeiten kann, müssen die Anbaugeräte wie Tieflöffel, Grabenräumlöffel und Meißel kalibriert und eingemessen werden. „Für uns ist die neue Gerätetechnik ein großer Sprung nach vorne, aber die Jugend wächst mittlerweile damit auf und daher wollen wir auch mit der Zeit gehen“, erklärt Michael Rau. Aufgrund ihres Studiums und ihrer Masterthesis mit Schwerpunkt BIM weiß Fabienne Rau, dass in Zukunft noch mehr digitale Prozesse zur Projektabwicklung notwendig sind: „Bis dahin ist es zwar noch ein langer Weg, aber wir müssen gegenüber neuen Techniken, wie sie eben auch der neue Bagger bietet, aufgeschlossen sein, um weiterhin konkurrenzfähig zu bleiben.“

Januar/Februar 2020