„Digitalisierung ist kein Sprint, sondern ein Marathon”

Baumaschinen, die ihre Arbeitsschritte automatisiert oder teilautomatisiert erledigen und vernetzt sind, dabei Daten mit einer Zentrale austauschen und untereinander kommunizieren, um Prozesse auf Baustellen so einfach wie möglich zu gestalten: So sieht die Zukunft aus, an der schon längst unter Hochdruck gearbeitet wird. Doch dafür sind noch einige Weichen zu stellen. Wie sich Baufirmen darauf vorbereiten können, dass sie davon in der Praxis nicht nur monetär, sondern auch bei ihren Prozessen profitieren, erklären Frederik Terschluse, Abteilungsleiter Konnektivität und Flottenmanagement, und Frieder Eichmann, Bereichsleiter Unternehmensentwicklung und Digital Business. Beide treiben die Digitalisierung rund um die vernetzte Baustelle bei der Zeppelin Baumaschinen GmbH voran.

Frederik Terschluse (rechts), Zeppelin Abteilungsleiter Konnektivität und Flottenmanagement, und Frieder Eichmann, Zeppelin Bereichsleiter Unternehmensentwicklung und Digital Business. Foto: Zeppelin

Baublatt: Dass kein Weg an der Digitalisierung vorbeiführt, ist Bauunternehmen bewusst. Nur wissen nicht alle, wie sie es anpacken sollen, Baustellen zu vernetzen. Was raten Sie den Betrieben zu tun, wenn sie mit der Digitalisierung Schritt halten wollen?

Frederik Terschluse: Zunächst einmal: Was heißt vernetzte Baustelle? Damit ist keine einzelne Hardware oder Software gemeint, sondern ein ganzheitlicher Prozess, bei dem alle Prozessschritte gleichwertig sind. Hierzu zählt die Datenerfassung von Fahrzeugen und Geräten mittels Telematik- Modulen. Doch Daten aufzuzeichnen, ist nur der erste Schritt. Vernetzung bedeutet, dass die Daten übertragen werden müssen. Hier stehen verschiedene Technologien zur Verfügung. Hinzu kommt, die Daten so zu verarbeiten, dass sie später herstellerübergreifend vergleichbar und abrufbar sind. Hierin liegt eine besondere Herausforderung, da Hersteller noch über unterschiedliche Datenstandards verfügen und die Interpretation der Daten nicht zu unterschätzen ist. Der letzte Baustein ist die Darstellung der Daten etwa in einem Flottenmanagementsystem oder in einem ERP-System. Wer wettbewerbsfähig bleiben und wissen will, was auf seinen Baustellen passiert, muss spätestens jetzt die Weichen dafür stellen. Wichtig ist, den Einstieg nicht auf die lange Bank hinauszuschieben, sondern diesen anzupacken.

Baublatt: Was meinen Sie damit konkret?

Frederik Terschluse: Es bringt nichts, beispielsweise auf die eine große Software zu hoffen, die alle Anforderungen und Probleme mit einer Lösung abdeckt. Die sprichwörtliche „Eier legende Wollmilchsau“ wird es nicht geben. Denn jeder Anwender hat andere Anforderungen. Die Prozesse, ob im Hinblick auf Auslastung, Kraftstoffverbrauch, Zeiterfassung, Baustellenabrechnung, Transportorganisation bis hin zu Gerätedisposition, unterscheiden sich von Baustelle zu Baustelle. Viel wahrscheinlicher ist es daher, dass zukünftig viele verschiedene Modullösungen zum Ziel führen, die miteinander kommunizieren. Daher raten wir Bauunternehmen, sich jetzt entlang des ganzheitlichen Prozesses Lösungen zu suchen, die ihre Anforderungen am besten abdecken und das nicht länger aufzuschieben. Wir alle müssen uns den Herausforderungen stellen, sei es, um mit dem Wettbewerb mitzuhalten oder um gesetzliche Vorgaben zu erfüllen. Sonst wird es immer schwieriger, damit einzusteigen und andere Mitbewerber ziehen womöglich sonst an einem vorbei.

Baublatt: Manche Betriebe haben angefangen, selbst an einer Lösung zu feilen, weil ihnen nichts Passendes angeboten wurde.

Frieder Eichmann: Das ist durchaus nachvollziehbar, wenn Firmen eigene Anwendungen entwickeln lassen. Doch damit sind sie nicht am Ziel. Denn ein Dashboard zu entwickeln, reicht nicht – es kann nur seinen Zweck erfüllen, wenn es weiterentwickelt und stetig verbessert wird. Doch sollte ein Bauunternehmen seine ganze Energie und Ressourcen da reinstecken, wenn die eigentliche Kernkompetenz das Bauen ist? Wir bei Zeppelin meinen: Nein. Daher raten wir, einen starken Partner zu suchen, der in der Lage ist, die digitalen Anwendungen zu entwickeln und auszubauen. Aus anderen Branchen wissen wir, dass Unternehmen viel flexibler und günstiger agieren, wenn sie für neue Technologiebereiche auf starke Partnerschaften setzen.

Baublatt: Was sagen Sie zu dem Argument: „Digitalisierung kostet Zeit und Geld. Als kleiner Betrieb haben wir dafür keine Ressourcen und keine Manpower.“

Frieder Eichmann: Unbestritten ist es eine Herausforderung, etwa Baumaschinenflotten zu vernetzen. Hinter der Datenerfassung und -übertragung stecken komplexe Prozesse. Hinzu kommt, dass einheitliche Datenstandards fehlen, und das macht es Anwendern schwer, in die Digitalisierung einzusteigen. Nicht weniger aufwendig ist das Datenmanagement, um Daten verfügbar zu machen. Allein deswegen können Daten nie kostenlos angeboten werden, sondern sie werden in Zukunft Teil der Betriebskosten einer Baustelle sein.

Frederik Terschluse: Wer beginnen will, mit Daten zu arbeiten, sprich sie zu erfassen und zu analysieren, muss investieren – und zwar nicht nur Geld, sondern auch Zeit. Häufig wird unterschätzt, wie zeitintensiv die Digitalisierung einer Baustelle tatsächlich ist – und: wie schwierig es ist, bis Digitalisierungskosten tatsächlich in Einsparungen oder Umsatzwachstum umgewandelt sind.

Frieder Eichmann: Die größte Herausforderung ist unserer Erfahrung nach nicht die Erfassung und Darstellung der Daten, sondern das anschließende Eingreifen in Bauprozesse zur Optimierung von Abläufen und Erhöhung der Geräteeffizienz. Doch wer einmal damit angefangen hat, wird den Wert erkennen und sehen, dass sich damit große Verbesserungen im Hinblick auf Produktivität und Effizienz erzielen lassen, die vielen gar nicht bewusst sind, weil sie glauben, dass sie alles im Griff haben.

Die Phasen der vernetzten Baustelle als ganzheitlicher Prozess. Grafik: Zeppelin

Baublatt: Wie sieht die Unterstützung von Zeppelin dazu aus, dass Bauunternehmen ihre Baustellen und Baumaschinen vernetzen können?

Frieder Eichmann: Zeppelin begleitet Kunden bei der Digitalisierung ihrer Baustellen seit mittlerweile fast zehn Jahren. Dabei haben wir durch die sich verändernden Anforderungen enorm viel dazugelernt. Heute wissen wir: Digitalisierung ist kein Sprint, sondern ein Marathon. Kunden suchen nach unabhängigen, ganzheitlichen und vielfach auch langfristigen Lösungen. Wir von Zeppelin bauen auf starke und vertrauenswürdige Partnerschaften, die Bestand haben. Dabei bieten wir eine Bandbreite an digitalen Lösungen an – von der Beratung über Konnektivitätslösungen bis hin zu Softwarelösungen.

Baublatt: Können Sie das konkretisieren?

Frieder Eichmann: Kunden kommen häufig mit relativ konkreten Wünschen auf uns zu. Wichtig ist jedoch zunächst zu erarbeiten, ob die gewünschte Lösung auch das Kernproblem des Kunden löst. Hier benötigen viele Kunden die Erfahrung unserer Spezialisten, die ihnen eine individuelle Lösung anbieten, die zu ihrer Strategie passt. Lösungen schaffen wir dann von Kraftstoffanalysen für Baumaschinen bis hin zu Mischflottenlösungen, Datenintegrationen und Gerätedisposition. Ein gutes Beispiel sind unsere Analysen vermeidbaren Leerlaufs. Dabei filtern wir nicht produktionsbedingte Leerlaufanteile und stellen diese auch kostenseitig dar – ein Einsparpotenzial für Kunden, das sich direkt auf den operativen Gewinn auswirkt. Kunden benötigen Beispiele wie diese, um Vermutungen mit Daten zu belegen, um in Bauprozesse eingreifen zu können. Man sieht daran: Datengetriebene Entscheidungen zu treffen, ist heute schon möglich.

Baublatt: Was sind die größten Hürden für Betriebe, die ihre Prozesse in Richtung Digitalisierung umstellen wollen?

Frederik Terschluse: Von Daten geht ein besonderer Reiz aus. Nicht umsonst heißt es: Daten sind das neue Öl. Daher liegt es nahe, Unmengen an Daten zu sammeln. Doch nur die wenigsten Daten werden genutzt. Und oft wird nicht berücksichtigt, dass die Kosten für Daten auch mit der Datenmenge empfindlich steigen. Daher können schnell mal ein paar tausend Euro zustande kommen, was allerdings nicht im Verhältnis steht zu dem gewonnenen Nutzen.

rieder Eichmann: Wir sind bei Zeppelin daher überzeugt, dass Unternehmen nur die Daten benötigen, die wirklich dazu beitragen, Prozesse effizienter zu machen. Jedes Unternehmen sollte sich daher Fragen stellen, wie: Was soll mit den Daten gemacht werden? Sind alle Daten in Echtzeit nötig oder genügt eine tägliche Übermittlung von Daten? Muss wirklich jedes Gerät auf der Baustelle mit einem Sensor ausgestattet sein oder reicht es aus, die Daten von bestimmten Baumaschinen zu erfassen. Erst wenn klar ist, was man mit den Daten anstellen will, kann man sich dann damit beschäftigen, welches System das richtige ist, Daten zu erheben.

Baublatt: Was empfehlen Sie Anwendern?

Frederik Terschluse: Insbesondere bei der automatischen Abrechnung von Baugeräten empfehlen wir üblicherweise auch, die Prozesse etwa beim Warenein- und -ausgang von Baugeräten auf Baustellen zu betrachten. Beispielsweise durch das Scannen von Barcodes auf preiswerteren Baugeräten können Kosten für Datenübertragungen enorm gesenkt werden. Ein großer Vorteil ist dabei, dass das Smartphone des Mitarbeiters als „Gateway“ benutzt wird und eine Nachrüstung von Telematik- Modulen nicht mehr notwendig ist. Dies erfordert allerdings auch Anpassungen in den Dispositionsprozessen, die Anwender anpacken müssen.

Baublatt: Was muss passieren, damit die Baubranche digitale Zukunftstrends stärker voranbringt?

Frederik Terschluse: Wichtig sind vor allem zwei Punkte. Erstens: Ein Bauunternehmer benötigt unbedingt instinktives Vertrauen in seine Mitarbeiter und insbesondere in die Verantwortlichen für Digitalisierung. Die richtigen Leute in die richtigen Positionen zu heben und ihnen das Vertrauen zu geben, dass sie die richtigen Entscheidungen treffen, ist Grundlage für Veränderung. Zweitens benötigt ein Bauunternehmen einen konstanten und sicheren Finanzierungsfluss, sodass neue Vorhaben nicht ständig an der Finanzierungsfrage scheitern oder sogar gestoppt werden müssen. Wie vorher schon erwähnt, ist Digitalisierung ein Marathon – ein volatiler Cashflow ist dabei nicht förderlich. Gerade die Bauunternehmer, die in der Vergangenheit auf Diversifikation gesetzt haben, können Digitalisierungsprojekte auch in Krisenzeiten durchfinanzieren. Sie haben somit einen klaren Wettbewerbsvorteil.

Juli/August 2021