Revolver-Lager macht den Unterschied

Das Team „TUM Boring“ von der Technischen Universität München hat es geschafft: Rund 60 Studierende haben mit ihrer selbst gebauten Tunnelbohrmaschine den Wettbewerb „Not-a-Boring-Competition“ von Elon Musk gewonnen. Was für Herausforderungen sie bewältigen mussten und welche Rolle der Verkehr der Zukunft spielt, das verrät Kilian Schmid, Gründer und einer der Projektleiter.

Baublatt: Worum ging es bei dem Wettbewerb?

Kilian Schmid: Am 12. September 2021 fand in Las Vegas die „Not-a-Boring-Competition“ statt. Teams wurden aufgerufen, einen 30 Meter langen und halben Meter breiten Tunnel mit ihren selbst entwickelten Tunnelbohrmaschinen zu bohren – und das möglichst schnell und präzise. Zudem ging es darum, mehr Menschen für das Thema Tunnelbau zu begeistern. Denn aktuell ist der Tunnelbau noch sehr zeit- und damit kostenintensiv.

Baublatt: Warum sind Tunnelbohrmaschinen vergleichsweise langsam?

Kilian Schmid: Vor allem aufgrund der komplexen Logistik, die auf einem sehr beengten Raum stattfinden muss. Zum einen muss Baumaterial nach vorne zur Maschine gebracht werden, zum anderen das abgetragene Material hinausbefördert werden. Hinzu kommt, dass natürlich auch der eigentliche Tunnel gebaut werden muss.

Baublatt: Glaubt man dem Initiator des Wettbewerbs, Elon Musk, könnte ein effizienterer Tunnelbau gerade im Hinblick auf den Verkehr der Zukunft wichtig werden.

Kilian Schmid: Ob tägliches Pendeln zur Uni oder aber zur Arbeit – die Straßen sind voll und wir verschwenden hier täglich viel Zeit. Würde man verstärkt auf Tunnel setzen, so könnte man viel schneller von A nach B kommen. Zudem könnte man freigewordene Flächen neu nutzen. Wir könnten die Oberflächen begrünen, Parks anlegen oder Rad- und Fußwege bauen. Das ist ein Thema, mit dem ich mich beschäftige, seit ich ein Kind bin. Ich wollte schon immer ein besseres Transportmittel bauen. Irgendwann habe ich mir gedacht: Ich muss die Ärmel hochkrempeln, habe mir für 500 Euro Stahlteile gekauft und in der heimischen Garage angefangen, eine 20 Zentimeter große Tunnelbohrmaschine zu bauen.

Baublatt: Wie und wann wurde das Projekt an der TU München etabliert?

Kilian Schmid: Das war im Juli 2020, als der Wettbewerb offiziell ausgerufen wurde. Wir haben dann sofort losgelegt und eine Bewerbungsrunde an der Universität gestartet. Insgesamt ist das Team auf über 60 Studenten angewachsen. Nachdem wir die kleine Tunnelbohrmaschine gemeinsam fertiggebaut und erfolgreich im Garten meiner Eltern getestet haben, war die erste Herausforderung das Preliminary Design im Oktober 2020, eine 30-seitige Präsentation über das Grundkonzept. Anschließend folgte das finale Design. Hierfür mussten wir im Januar einen detaillierten Bauplan der Maschine einreichen. Schließlich wurden wir aus fast 400 Bewerbern als einer von zwölf Finalisten ausgewählt.

Baublatt: Bis zum Finale war es aber dennoch ein langer Weg.

Kilian Schmid: Insbesondere die globalen Lieferengpässe haben uns Nerven gekostet. So besteht beispielsweise das Revolver-Rohrlager aus Spezialstahl, dessen Lieferung – inklusive unseres individuellen Zuschnittes – zu lange gedauert hätte und sehr teuer gewesen wäre. Wir haben dann die Stahlplatten beim Großhändler bestellt und mit einem Plasmaschneider den Grobzuschnitt selbst gemacht. Anschließend haben wir die Teile nach Frankfurt gefahren und von einer Fachfirma fräsen lassen.

Baublatt: Nachdem die Maschine zusammengesetzt wurde, ging es in eine Kiesgrube in der Nähe von München.

Kilian Schmid: Dort haben wir eine Test-Geologie aufgebaut, um unsere Tunnelbohrmaschine zu testen. Neben Kies haben wir beispielsweise Magerbetonplatten integriert, um die spezielle Gesteinsart „Caliche“ zu imitieren, die in der Wüste vorkommt. Unterstützt wurden wir hierbei unter anderem von Zeppelin Rental, die uns verschiedene Baumaschinen und -geräte zur Verfügung gestellt haben.

Während der Testbohrungen stellte Zeppelin Rental unter anderem einen Cat Radlader 938M zur Verfügung. „Für uns war es eine Herzensangelegenheit, das Team der TU München zu unterstützen – und damit auch den Innovationsstandort Deutschland zu stärken. Denn nur wer etwas Neues wagt, kann aus Fehlern lernen und die Baubranche von morgen mitgestalten. Die Leidenschaft und Motivation, das Engagement, der absolute Erfolgswille, aber auch die Professionalität der Studenten haben uns von Zeppelin Rental enorm beeindruckt. Meine herzlichen Glückwünsche an das gesamte Team“, so Peter Schrader, Geschäftsführer von Zeppelin Rental. Fotos: TUM Boring/Zeppelin Rental

Baublatt: Nach erfolgreichen Testbohrungen wurde die Tunnelbohrmaschine in die USA verschifft. Wie war der Wettbewerbsablauf in Las Vegas?

Kilian Schmid: Unsere Tunnelbohrmaschine ist in einen zwölf Meter langen Schiffscontainer integriert, der insgesamt rund 22 Tonnen wiegt. Am Austragungsort angekommen, wurde der Container in die Startgrube gesetzt und wir haben unter anderem Förderbänder, Kühlaggregate und Betonblöcke als Gegengewichte installiert. Auch das Thema Sicherheit spielte eine entscheidende Rolle. So konnte neben uns nur Swissloop Tunneling der ETH Zürich die erforderlichen Sicherheitstests bestehen, bei denen beispielsweise die Elektrotechnik geprüft wurde.

Baublatt: Wie war der Austausch unter den Finalisten?

Kilian Schmid: Wir haben uns natürlich untereinander unsere Maschinen gezeigt und die Konzepte erklärt. Als es dann so weit war, haben alle mitgefiebert.

Baublatt: Das Daumendrücken hat sich gelohnt. Innerhalb von fünf Stunden hat die Maschine rund 20 Meter Tunnel gebohrt. Was unterscheidet sie von der Konkurrenz?

Kilian Schmid: Insbesondere das Revolver-Rohrlager, das vier Rohre vorhält, ist entscheidend. So besteht der Tunnel aus vorgefertigten Stahlröhren, in denen die Fahrbahn, Sensoren, Anschlüsse und Kabel sowie das Förderband bereits installiert sind. Ein solches Tunnelsegment ist 8,5 Meter lang, hat einen Durchmesser von 0,5 Metern und wiegt 1,2 Tonnen. Verlegt werden sie im Rohrvortrieb. Sobald das erste Rohr komplett nach vorne geschoben ist, dreht sich hinten der Revolver und wir können mit dem nächsten Rohr weitermachen. Dieser Wechsel ist fast voll automatisiert, spart erheblich Zeit und ist eine der Baugruppen, die unsere Maschine so innovativ macht.

Baublatt: Was sind die nächsten Schritte?

Kilian Schmid: Die anderen europäischen Teams konnten aus verschiedenen Gründen nicht antreten. Wir haben die Konzepte diskutiert und es wäre interessant, die Maschinen der anderen Teams noch laufen zu sehen. Generell genießen wir aber erst mal alles, was kommt. Denn der Sieg war vor allem eins: eine Riesenerleichterung. Wir haben ein Jahr unseres Lebens in die Entwicklung und den Bau unserer Maschine investiert. Ich bin einfach nur stolz auf das gesamte Team.

November/Dezember 2021