Straßenbau trotzt (noch) der Corona-Krise

Es wird gehämmert, gebohrt und gebaggert: Auf Deutschlands Baustellen scheint die Corona-Krise keine Spuren zu hinterlassen. Doch der Eindruck ist nicht ganz richtig. Zwar werden aktuell viele Bauprojekte umgesetzt, die schon vor der Pandemie gestartet wurden, doch es mehren sich die Anzeichen einer Abkühlung. Wenig neue Impulse wurden im August bei der Nachfrage nach Bauleistungen registriert. Die Mitgliedsbetriebe des Zentralverbandes des Deutschen Baugewerbes bewerteten die Lage im Wohnungsbau überwiegend mit gut. Hingegen überwiegen die rückläufigen Meldungen im Gewerbebau und im öffentlichen Bau. Im Hochbau sind zwischenzeitlich mehr Aufträge abgearbeitet worden, als neue hinzugekommen sind. Im Wirtschaftsbau hat es in den Branchen der Industrie und bei Dienstleistungen in den letzten Monaten coronabedingt Umsatzeinbrüche gegeben, die nun offensichtlich auf die Investitionsbereitschaft durchschlagen. Im Tiefbau liegt die Reichweite der Aufträge noch bei knapp drei Monaten. Mit einem Rückgang ist der Straßenbau konfrontiert.

Straßenbau tritt auf die Bremse. Foto: Adobe Stock/Stockr

Herbst ist normalerweise Messezeit – doch während die steinexpo auf April nächsten Jahres verschoben wurde, entschieden sich die Organisatoren im Fall der NordBau zu einer Fachausstellung mit begleitenden Seminaren und zu einer deutlich reduzierten Teilnehmerzahl unter Hygiene- und Schutzmaßnahmen. Das nahm Matthias Paraknewitz, Präsident der Bundesvereinigung der Straßenbau- und Verkehrsingenieure, zum Anlass, auf die Lage der Branche aufmerksam zu machen, basierend auf einer Umfrage zu den Auswirkungen der Corona-Krise unter seinen 17 000 Verbandsmitgliedern: „Die beteiligten Firmen, Ingenieurbüros und Verwaltungen im Bereich der Verkehrsinfrastruktur sind mit ihren Beschäftigten nicht die Gewinner dieser Pandemie, doch sind sie bislang wirtschaftlich insgesamt gut durch diese Zeit gekommen und stützen damit die Wirtschaft insgesamt.“ Auch wenn für den Verkehrsetat 2021 Ausgaben in Höhe von 18,6 Milliarden Euro für Straßen, Schieneninfrastruktur und Wasserstraßen vorgesehen sind, sorgt sich die Branche, dass besonders im kommunalen Bereich die Finanzmittel für Infrastrukturprojekte knapper werden und fordert von der Politik die Fortführung von Erhalt und Ausbau der Infrastruktur.

„Leider spürt auch die Baubranche die Auswirkungen der Pandemie. Die Aufträge bröckeln auf breiter Front, die Preise geben nach, der Boom zeigt Risse. Wir sind trotzdem optimistisch und hoffen, dass der Bau bald wieder an Dynamik gewinnt, vor allem wenn die geplanten Investitionen aus den Konjunkturpaketen greifen“, so der Präsident der Bauwirtschaft Baden-Württemberg, Markus Böll. Ein Problem, das die Straßenbauer derzeit umtreibt, ist die neu gegründete Autobahn GmbH des Bundes. Ab 1. Januar 2021 ist sie allein für Planung, Bau und Betrieb von Bundesfernstraßen zuständig, nicht mehr die einzelnen Länder. Durch diese Zentralisierung soll die Autobahn-Verwaltung insgesamt effizienter werden. Soweit die Theorie. In der Praxis gestaltet sich die Reform nicht ganz so einfach, wenn 15 000 Beschäftigte, über ganz Deutschland verteilt, in die neue Autobahn GmbH übergehen sollen. Hinzu kommen unzählige Immobilien, IT-Systeme und Sachmittel. Es ist eine Mammutaufgabe. Eigentlich war die Verschmelzung mit der Deutschen Einheit Fernstraßenplanungs-und -bau GmbH (DEGES) geplant, die bisher für viele Länder den Bau von Bundesfern- und Landesstraßen betreut hat.

Dagegen hat der Bundesrechnungshof wegen der unklaren Aufgabentrennung zwischen Bund und Land sein Veto eingelegt, was zu einer Sperrung der hierfür vorgesehenen Haushaltsmittel führte. Bei der Übernahme der Länderanteile der DEGES durch den Bund würde dieser Projekte für Bundes- und Landesstraßen fortführen, die derzeit die DEGES im Auftrag der Länder umsetzt. Zudem bestanden aus vergaberechtlicher Sicht Bedenken vor dem Hintergrund der Fragestellung, ob der Autobahn GmbH Landesgeschäfte ohne neue Ausschreibung übertragen werden könnten. Das Bundesverkehrsministerium hat nun entschieden, dass es vorerst nicht zu einer Verschmelzung der DEGES mit der neuen Gesellschaft kommen wird. Hiermit soll ein Baustopp verhindert werden, der bei einer Verschmelzung durch erforderliche Neuausschreibungen aller laufenden Projekte der Länder eingetreten wäre. Angesichts der verschobenen Verschmelzung befürchtet die Bauwirtschaft nun weitere Verzögerungen bei der Auftragsvergabe. Denn der Bundesvereinigung Mittelständischer Bauunternehmen (BVMB) zufolge seien im Zuge der Reform noch andere Fragen nicht geklärt. Daher wird es neben vorübergehenden Kooperationsverträgen zwischen der Autobahn GmbH und den Auftragsverwaltungen der Länder diese nun auch zwischen der Autobahn GmbH und der DEGES geben – so lange, bis die verbleibenden Landesprojekte umgesetzt sind. Erst dann ist eine Verschmelzung möglich. Ein weiterer Knackpunkt: Der Autobahn GmbH stehen für 2021 bundesweit nur knapp fünf Milliarden Euro zur Verfügung. Die aktuellen Projektplanungen haben aber einen Wert von gut sechs Milliarden Euro, behauptet der Landesverband Bauwirtschaft Baden-Württemberg. Für Matthias Waggershauser, Vizepräsident der Bauwirtschaft Baden-Württemberg, ein Unding: „Wenn ich als Bauunternehmer so planen würde, wäre ich längst pleite. Wir haben im Vertrauen auf die angekündigten Straßenbauaufträge unsere Kapazitäten aufgestockt. Bund und Länder sollen sich endlich auf eine sinnvolle Aufgabenverteilung und Planungsverantwortung einigen, damit es nicht zu weiteren Verzögerungen oder gar Baustopps im Bundesfernstraßenbau kommt.“ Vielmehr muss sichergestellt werden, dass Planungen und Projekte während und nach dem Transformationsprozess weiterlaufen, so der BVMB. Er unterstrich, wie wichtig es im Hinblick auf die über Jahre aufgebauten Kapazitäten und Ressourcen der Unternehmen ist, den Investitionshochlauf weiterhin fortzuführen. Dass die Aufbaukosten der Autobahn GmbH nicht zu Lastender Investitionsplanung gehen sollen, bekräftigten dagegen Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer und weitere Vertreter seines Ministeriums im Rahmen eines Spitzengesprächs mit der Autobahn GmbH und Bauverbänden. Geplante Investitionen in den Bundesfernstraßenbau, insbesondere in die deutschen Bundesautobahnen, sollen von Verwaltungs- und Planungskosten der Autobahn GmbH unbenommen bleiben. Doch vielfach werden die Investitionen seitens Bund gar nicht erst abgerufen. Laut Monatsbericht des Finanzministeriums blieb der Staat von Januar bis August bislang auf knapp 22 Milliarden Euro sitzen. Dabei sollte er deutlich mehr investieren, um Wirtschaft und Gesellschaft mit Blick auf Digitalisierung, Verkehrsinfrastruktur, Klima- und demografischen Wandel zukunftsfähig zu machen. Das fordern Forscher des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung und des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) – ihnen zufolge gäbe es einen zusätzlichen Bedarf von rund 45 Milliarden Euro jährlich an öffentlichen Investitionen in Deutschland. Doch die Corona-Krise gefährdet kommunale Investitionen und führt dazu, dass sich deren Finanzlage erheblich verschlechtert. Wenn Kommunen sparen müssen, wird das zu weniger Bauaufträgen führen. Daher braucht es Milliardenhilfen vom Bund, damit die Kommunen notwendige Investitionen tätigen und den bestehenden Investitionsstau weiter abbauen können.

September/Oktober 2020