Automatisierung von Muldenkippern macht Rohstoffabbau sicherer und effizienter

Was für viele wie Science-Fiction klingt, wird am anderen Ende der Welt bereits erprobt: In den drei großen Rohstoffminen, Yandicoogina, Nammuldi und Hope Downs 4 der Bergbaugesellschaft Rio Tinto in Australien machen große Flotten selbstfahrender autonomer Skw die Runde, die Eisenerz ohne Fahrer am Steuer befördern. Auch die australischen Wettbewerber BHP und Fortescue Metals Group verstärken ihre Flotten. BHP wird 25 autonome Cat 793F bis zum Jahresende auf 50 erweitern. Die Fortescue Metals Group gab im Juni bekannt, dass bestehende Starrrahmenkipper in fahrerlose Cat Muldenkipper umgewandelt werden – 56 sind bereits im Tagebau Salomon Hub im Einsatz, was 75 Prozent der Flotte entspricht. Im Tagebau Chichester Hub soll der Anteil auf hundert erhöht werden. Autonome Muldenkipper hätten dem Unternehmen zufolge eine 20 prozentige Steigerung der Produktivität gebracht. Rio Tinto führte erstmals vor acht Jahren das autonome Transportsystem ein – 71 solcher Skw verteilen sich heute auf drei Eisenerzminen und bewegen rund 20 Prozent des abgebauten Rohstoffs. Das Resultat auch da: geringere Betriebskosten.

Automatisierung der Flotte

Michael Gollschewski, Geschäftsführer der Minen in Pilbara im Westen Australiens, bestätigt, dass die Technologie die Produktivität im Abbau von Eisenerz verändert habe und dem Unternehmen dazu verhalf, das Auf und Ab der Konjunktur zu bestehen, welches auf den Verfall der Rohstoffpreise zurückzuführen sei. Der Bergbaukonzern war einer der ersten in der Branche, der auf die Automatisierung seiner Flotte setzte und sie weiterentwickelt. Neben den autonomen Skw legt der Konzern mithilfe von sieben Bohrgeräten, die ebenfalls ohne Bohrgeräteführer auskommen, Bohrlöcher an. Drohnen dienen dazu, Rohstoffvorräte zu erfassen. In Kürze sollen Lokomotiven Güterzüge mit Eisenerz über hunderte Kilometer zu den Häfen ziehen – ebenfalls fahrerlos und automatisch be- und entladen werden.

Entwicklung autonomer Baumaschinen

Baumaschinenhersteller wie Caterpillar treiben autonome Baumaschinen voran, um den Bergbau sicherer zu machen sowie konstante und effiziente Arbeits- sowie Produktionsleistung zu gewährleisten. Was das für autonome Cat Muldenkipper bedeutet: Sie müssen einen Betrieb sicherstellen an 365 Tagen im Jahr rund um die Uhr. Lediglich das Betanken und die Wartungsarbeiten führen zu Unterbrechungen der Fahrzeit. Pausen, Urlaub oder Feierabend gibt es nicht. In der Kabine der gewaltigen Baumaschinen sitzen keine Fahrer mehr, welche die Tastaturen oder Gas- und Bremspedal bedienen, sondern das übernehmen intelligente On-Board-Systeme. Im Fall von Rio Tinto agiert 1 500 Kilometer vom Einsatzgebiet entfernt die Schaltzentrale, die schlicht als das „Nervenzentrum“ der ganzen Operation gilt. Hier überwacht ein Team von rund 400 Personen den gesamten Betrieb in Echtzeit – bis hin zu jedem Skw.

Autonomer Muldenkipper mit intelligenten Kontrollsystem

Quasi wie von Geisterhand suchen sich die Muldenkipper auf fest definierten Routen und basierend auf einem vorprogrammierten Ablaufplan ihren Weg durch die Lagerstätte. Sie können einer zugeordneten Spur durch ein sich ständig veränderndes Abbaugebiet folgen oder den besten Weg wählen, um die zugewiesenen Ladestellen anzusteuern, nehmen ihre Position für den Ladevorgang ein und fahren zum Abkippen zum Brecher, sobald die Mulde gefüllt ist. Geleitet werden sie von einem intelligenten Kontrollsystem. Dabei passieren sie andere Baumaschinen, ohne diese zu tangieren, und gehen ihren Aufgaben nach. Dazu sind die Skw mit einem System der Naherkennung und Kollisionsvermeidung ausgestattet, um Gefahren sofort zu identifizieren und zu umgehen. Die Muldenkipper bremsen automatisch ab, sobald sich ihnen etwas Unerwartetes in den Weg stellt, weichen aus oder nehmen, wenn die Einsatzbedingungen es erlauben, die maximale Geschwindigkeit auf. All das erfolgt, ohne dass ein Fahrer von der Kabine aus eingreifen muss.

Steigerung der Produktivität durch autonome Cat Muldenkipper

„Caterpillar arbeitet derzeit intensiv an der Weiterentwicklung autonomer Baumaschinen, insbesondere für die Gewinnungsindustrie, um weitere Modelle anbieten zu können. In Australien ist die Automatisierung großer Off-Highway-Trucks schon deutlich weiter fortgeschritten im Gegensatz zu Deutschland, was an den geologischen Gegebenheiten der Lagerstätten liegt, die ganz andere Dimensionen haben. Hierzulande müssen bezüglich autonomes Fahren noch einige Fragen vorab geklärt werden, wie zur Haftung bei Unfällen“, so Staale Hansen, der bei Zeppelin als Produktmanager den Bereich Großgeräte leitet und immer wieder Anfragen hinsichtlich autonomer Baumaschinen erhält. „Das Interesse in der Branche ist groß, weil es für Unternehmen immer wichtiger wird, Rohstoffe so produktiv wie möglich zu gewinnen, oder Personalkosten – nach den Spritkosten der Kostenblock schlechthin – zu senken.“ Aber auch eine andere Entwicklung befeuert den Einsatz autonomer Baumaschinen: Viele Betriebe haben angesichts des Fachkräftemangels Schwierigkeiten, Personal zu finden, zumal viele Fahrer in den nächsten Jahren aufgrund der demografischen Entwicklung in den Ruhestand gehen und nicht genügend Nachwuchskräfte nachkommen. Viele Unternehmen wollen auch deswegen autonome Maschinen einsetzen, weil diese unabhängig von Urlaub, Krankheit oder Schichtwechsel im Dauerbetrieb arbeiten können. „Fahrerlose Baumaschinen werden daher auch ein großes Thema der steinexpo sein, da es hier viel Gesprächsbedarf gibt und darauf stellen wir uns ein“, meint Hansen.

Maschinen mit GPS

Eine Frage, die immer wieder aufkommt: Was passiert, wenn die Maschine ausfällt und wie wirkt sich das auf den Transportfluss und die Prozesse aus? „Die Maschine wird umgehend gestoppt und es wird ein Fehlerstatus zum Service Center geschickt“, erklärt Staale Hansen. Ein Monteur fährt dann zur Maschine, um nach dem Rechten zu sehen, mögliche Schäden zu beheben und den Skw wieder startklar zu machen. Statusmeldungen über den Zustand der Maschine werden ins Büro auf Rechner übertragen. Auch andere Systeme, wie das Flottenmanagement, sind daran gekoppelt, um zum Beispiel maximale Kraftstoffeffizienz zu erzielen. Der Schlüssel autonomer Maschinen ist GPS.

Mehr Sicherheit

Weitere Vorteile sind laut Caterpillar: Fahrerlose Assistenzsysteme versprechen weniger Unfälle. Denn monotones Fahren fördert die Übermüdung und damit kommt es eben zu Fehlern beziehungsweise Unfällen aufgrund von menschlichem Versagen, was Material- oder schlimmstenfalls Personenschäden nach sich zieht. Selbstständiges Steuern soll die Fahrer entlasten und zu einer höheren Sicherheit beitragen. „Autonome Transportsysteme reduzieren Gefahren und Risiken für die Mitarbeiter, welche zwangsläufig mit schweren Maschinen verbunden sind. Dazu gehören Unfälle, die auf Ermüdung zurückzuführen sind, aber auch ein verstauchter Fuß sowie Gefahren bedingt durch Lärm und Staub“, bestätigt Josh Bennett, Betriebsleiter von Yandicoogina bei Rio Tinto.

Neue Aufgaben für Maschinisten

Nichtsdestotrotz dominiert bei den Fortschritten eine zentrale Frage: Werden Maschinisten nun arbeitslos, wenn sie nicht mehr hinter dem Steuer sitzen? Baumaschinenhersteller Caterpillar räumt ein, dass bisherige Tätigkeiten umgekrempelt werden, weil Fahrer andere Aufgaben übernehmen – sie werden die Bordcomputer der Maschinen überwachen, Daten kontrollieren und müssen jederzeit korrigierend eingreifen können, um stets die volle Kontrolle über Schwergewichte wie einen Cat 793F mit 226 Tonnen zu haben. Das Anforderungsprofil der benötigten Mitarbeiter wird sich ändern, davon gehen Wissenschaftler aus, welche die Auswirkungen auf das Personal untersuchen. Von den Mitarbeitern werden in Zukunft andere Fähigkeiten erwartet, wenn ein Rohstoffbetrieb sein Transportsystem automatisiert. Das kann auch BHP bestätigen, deren Mine Jimblebar komplett auf fahrerlose Skw umsteigen wird: Traditionelle Berufe werden verschwinden, neue entstehen. Mitarbeiter werden bei BHP dafür geschult, um Aufgaben wie die eines Kontrolleurs zu übernehmen, der quasi im Abbaugebiet ständig auf Patrouille ist, um die Skw im Auge zu behalten und sofortige Abweichungen zu registrieren. Außerdem braucht es technische Spezialisten, die das ganze System unterhalten.

Geringe Betriebskosten

„Die Entwicklung unserer Kommandozentrale in Perth und die Umsetzung autonomer Technologie hat zu unserem Erfolg beigetragen“, bewertete Michael Gollschewski von Rio Tinto das fahrerlose Transportsystem diesen März auf einer Branchenkonferenz. „Mit den anderen Produktivitätsverbesserungen, die wir gemacht haben, ist diese Technologie wegweisend.“ Die Ergebnisse der vergangenen acht Jahre zeigen, dass sich die Investitionen der Gruppe in die Automatisierung gelohnt haben. Verbessert hätte sich Rio Tinto zufolge die Sicherheit und die Produktivität. Auch wären die Wartungskosten gesunken. Laut Rio Tinto hätte die autonome Flotte seit 2008 gegenüber der Flotte mit Fahrern um bis zu 13 Prozent niedrigere Betriebskosten erzielt. Schließlich gäbe es laut Josh Bennett beträchtliche Einsparungen, weil keine Fahrer mehr in die entfernten Regionen von Australien geflogen, untergebracht und versorgt werden müssen, in denen die Bergwerke liegen. „Außerdem bemerkten wir, dass wir durch die autonomen Maschinen Kontinuität in die Abläufe bekommen“, fügte Josh hinzu. Angesichts dessen soll die unbemannte Flotte auch in anderen Minen des Unternehmens zum Einsatz kommen. BHP und Fortescue Metals Group treiben ebenfalls den Ausbau voran.

September/Oktober 2017