So authentisch wie möglich

Mit Pistenraupen fing vor über zwölf Jahren alles an: Seitdem hat Michael Hofstätter die Leidenschaft für den Modellbau gepackt. Sein Hobby führte ihn schon bis nach Peking zur Alpitec, der internationalen Fachmesse für Berg- und Wintertechnologie. Im Reich der Mitte durfte er dort seine Pistenraupe im Maßstab 1:6 – die Größe entspricht einer Europalette – für den Südtiroler Hersteller Prinoth vorführen. „Er war damals der einzige Aussteller, der ein echtes Modell vorweisen konnte und noch dazu ein so großes. Dieses hatte einen extra Anhänger, der VIP-Kunden durch die Messehallen zog“, berichtet er. 2017 hat er sich ein neues Objekt zum Nachbauen gesucht: eine funkferngesteuerte Cat Laderaupe 983. Das Original-Modell sorgte schon für Aufmerksamkeit, als es einen filmreifen Auftritt 1979 in dem Film „Das Krokodil und sein Nilpferd“ mit Bud Spencer und Terence Hill in den Hauptrollen Slim und Tom hatte. Die beiden wollten verhindern, dass mit skrupellosen Methoden ein Wildgehege für Safaris entsteht. Slim landete im Knast, doch Tom alias Terence Hill gelang es, mithilfe der Baumaschine das Gefängnis zu zertrümmern, ihn so zu retten und mit ihm zu entkommen. Und mit seinem nachgebauten Kettenlader will Michael Hofstätter wie Terence Hill auch gewinnen. Er hat sich für eine Fernsehwette beworben.          

Als der Zeppelin Fahrerclub in seinem Facebook-Post aufrief, Wett-Ideen mit Baumaschinen einzureichen, musste Michael Hofstätter nicht lange überlegen. „Ob etwas daraus wird, ist noch völlig offen, aber es wäre eine schöne Idee, eine Wette mit der Laderaupe zu machen, die Wettpate Terence Hill begleiten soll“, so der Modellbauer, der beruflich als Logistik- Koordinator bei ZF Automotive tätig ist. Dazu hat der 52-Jährige auch die offen gestaltete Fahrerkabine des Kettenladers mit einem Fahrer bestückt – die Puppe kommt dem Filmschauspieler hinsichtlich der Optik sehr nahe. Zudem hat der Funktionsmodellbauer eine Schneiderin beauftragt, Kleidung im Stil des Films und aus der Zeit Ende der 70er-Jahre zu nähen. Schließlich soll alles so originalgetreu wie möglich aussehen.

Das gilt auch für die Lackierung des Modells. Hier standen verschiedene Gelbtöne wie Enzian-, Narzissen- oder Signalgelb zur Diskussion. Michael Hofstätter ist mit vielen anderen Modellbauern ohnehin in ständigem Austausch. „Einige haben mir geraten, vorher alles weiß zu grundieren, damit das Cat-Gelb richtig rauskommt. Doch ich hatte Bedenken“, räumt er ein. Weil er den Kettenlader auch bewegen will, wird sich die Lackierung der Schaufel mit der Zeit etwas abnutzen und dabei die Farbe verlieren. Dann kommt das Weiß auf dem Aluminium raus. „Ich habe mich dann entschieden, erst die Grundierung in Gelb (selber RAL-Ton) aufzutragen und dann die Endlackierung ebenfalls in demselben Gelb zu finishen. Für mich kam letztlich nur ein Farbton in Verkehrsgelb infrage. Diese Entscheidung hat sich als richtig erwiesen. Das Gelb ist genauso nachgedunkelt, wie ich es haben wollte und im Aluminium treten durch Gebrauchsspuren entsprechende Schattierungen hervor“, beschreibt er. Hinzu kommt noch die Verarbeitung der Farbe – für Michael Hofstätter war der Einsatz von Airbrush-Technik unumgänglich. „Das Ganze einem Lackierer in die Hand drücken, wollte ich nicht, schließlich handelt es sich bei dem Modell und den einzelnen Komponenten nicht einfach um eine Motorhaube. Die Anschaffung des Airbrush- Equipments ist vorteilhaft und vielseitig. Da es ein Zwei-Komponenten-PU-Lack ist, habe ich einiges experimentieren müssen, um das zum Laufen zu bringen. Gigantisch wie das Zeug hält. Von der Haut auf den Fingern nicht mehr wegzubekommen, wenn man keine Verdünnung zur Hand nimmt“, so seine Erfahrung.

Sich an die Farbgebung heranzutasten, war für den Hobbykonstrukteur nicht die einzige Umstellung beim Bau der Laderaupe. „Ich wollte, dass die eine innere Kette stehen bleibt, während sich die äußere weiterdreht“, erklärt er. Trial-and-Error – Versuch und Irrtum – auch das gehört zum Modellbau, wenn Lösungen entwickelt werden müssen. „Nachdem ich den ersten Antrieb mit Brushless-Motoren und Stirnrädern versuchte, hatte es nicht die gewünschte Steuercharakteristik. Auch der zweite Antrieb mit zwei großen 24-Volt- Motoren und Stirnradgetrieben war nicht besser. Zuletzt war der Griff in die Zauberkiste mit Akkuschrauber-Motoren und Planetengetrieben des Herstellers Makita die entscheidende Lösung, soll doch das Getriebe eine Art Selbsthemmung, wenn stromlos aktiv, bewirken. Der von mir umgesetzte Typ Laderaupe hat eine Wandlerautomatik. Beim Kurvenfahren wird die innere Kette über eine Lamellenkupplung ausgekuppelt und gleichzeitig abgebremst. Somit bleibt die innere Kette stehen, während die äußere Kette die Kurvenfahrt ausführt“, berichtet der Modellbauer. Wie er das dann simuliert hat? Seine Antwort: mittels TVC-B100 von SGS-Electronic, einem Hundert-Ampere-Doppelfahrtregler, der alle Komponenten zur Ansteuerung von zwei Gleichstrommotoren in einem Kettenfahrzeug umfasst. Dieser hat verschiedene programmierbare Lenkprogramme, die vom User ausgewählt werden können. Der integrierte Mischer verzögert dabei beim Lenkungsausschlag die kurveninnenliegende Kette proportional bis zum Stillstand beziehungsweise wird stromlos. Bei heutigen Raupenfahrzeugen bewirkt das Betätigen der Lenkung im Stillstand eine proportional steuerbare Drehung „auf dem Teller“, ein sogenannter Tableturn. Dies wollte Michael Hofstätter nicht, sondern bei seinem Cat 983 erzeugen die zwei Akkuschrauber-Motoren mit Planetengetriebe von Makita die erforderliche Leistung sowie die notwendige Selbsthemmung, wenn die innere Kette und die Motoren stromlos sind.

Cat Laderaupe 983 als Modell
Auf dem Weg zum Endzustand.

Beide Motoren erreichen je ein nominales Drehmoment von rund 15 Nm bei maximal 450 Watt. Dies wird noch zusätzlich von zwei Untersetzungen in 2:1 auf rund 50 Nm pro Kette gesteigert. Michael Hofstätter lässt sie nur bei 14,8 Volt laufen. Das Ergebnis: Die Geschwindigkeit der Akkuschrauber-Motoren samt Getriebe hat eingangs rund 400 Umdrehungen, es soll ja kein Rennwagen werden, durch die Untersetzungen kommt das Ganze auf über hundert Touren runter. Mit der Reduzierung der Voltzahl ergibt das die notwendige Geschwindigkeit, um schön gemütlich das Ladespiel zu vollziehen. Für die Berechnungen um den gesamten Antrieb gibt es eine Handvoll Formeln, die der Hobbyingenieur sich zunutze macht. „Meiner Meinung nach braucht das 50 Kilo leichte Modell diese Leistung, damit ein Vorwärtskommen überhaupt erst möglich ist. Dabei ist eine Schub-/Zugkraft von über hundert Kilo (in Abhängigkeit vom Untergrund) vorhanden. Die Getriebeabstufungen sind mit den erforderlichen Zahnrädern (induktiv gehärtete Zähne) angepasst beziehungsweise berechnet, um dem stetigen Zuwachs je Untersetzung in puncto Drehmoment standzuhalten“, führt er aus. Den Härtetest absolviert der Modellbauer dann auf einem Veloursteppich. „Wenn ich das Laufwerk in einer Kurvenfahrt drehe, gibt es auf dem Teppich einen der höchsten Widerstände, aber wenn man den dann überwinden kann, weiß ich, dass es funktioniert, ansonsten wäre in diesem Falle eine Dreistegkette eine Option“, so der Funktionsmodellbauer. Gehärtete Zähne sind daher für ihn ein Muss. Das ergibt einen äußerst geringen Verschleiß.

Als Maßstab wählte Michael Hofstätter 1:8, weil er sein Modell auch auf Modellbaumessen zeigen will und hier sind immer häufiger Modelle in dieser Dimension gefragt. „Da spielen auch ganz praktische Gründe eine Rolle, weil ich das Modell auch in meinem Auto transportieren können muss. Gefallen hat mir aber auch, was ein Schweizer Modellbauer machte, der sich ebenfalls auf den Maßstab 1:8 konzentrierte und der mich begeistert hatte“, nennt er als Gründe. Bevor er unter anderem die Aluminiumlegierung 7075 als Werkstoff auswählte, setzte er sich mit Fragen der Kinematik auseinander. „Man muss sich bewusst sein, dass da unglaubliche Drücke auf den Hubzylinder zustande kommen und das müssen auch der Hubrahmen und -arm, die beim Original über viele Jahre immer wieder verstärkt wurden, aushalten können. Das gilt auch für das Kettenlaufwerk. Es muss Stabilität und Festigkeit aufweisen, auch wenn es aus Aluminium ist, Kettenglieder habe ich nicht ganz dem Design der Originale nachgemacht. Es ist mein erstes Modell, das ich erstelle, da kann ich nicht sagen, wie es mit der Haltbarkeit ausschaut, denn ich bin kein Wissenschaftler“, stellt er klar. Seine Ansprüche wuchsen im Lauf der Zeit immer mehr. Aber es gibt auch Grenzen, die man als Modellbauer akzeptieren muss. „Man kann nicht alles in Edelstahl und Ähnlichem fertigen und nachbilden, sondern muss auch Abstriche machen“, meint er. Und: „Ich habe nicht alle Mittel zur Verfügung, um aus speziellen Materialien alles machen zu können. Für mich war Aluminium der Werkstoff, ist er auch noch um das Dreifache leichter als Stahl, final bin ich um über 20 Kilo leichter als der Modellbauer aus der Schweiz vor knapp zehn Jahren.“

Eine neue Welt tat sich für ihn auch bei der Hydraulik auf. „Hier musste ich viel dazulernen, etwa wie es gelingt, den Volumenstrom zu erreichen und welche Widerstände zu überwinden sind oder warum die Ansaugleitung im Querschnitt größer sein muss als die Druckleitungen zu den Ventilen. So eine Hydraulikanlage braucht ihren Platz und muss dann auch an entsprechender Stelle integriert werden. Hier gibt es einiges zu bedenken“, fügt er hinzu. Sein Vorbild, an das er sich herantastete: eine Cat Laderaupe wie sie im Schweizer Baggermuseum Ebianum der Firmengruppe Eberhard ausgestellt ist. Denn hierzulande sind solche Baumaschinen auf Baustellen nur noch ein seltener Anblick. Schließlich hat sich deren Einsatz im Lauf der Jahrzehnte gewandelt und sie wurden durch andere Technik abgelöst, die auf den Markt drängte. Einst galten die Laderaupen hierzulande als eine der beliebtesten Arbeitsgeräte in der Erdbewegung. Sie verbinden die Schaufel wie bei einem Radlader mit den Raupenketten einer Planierraupe, welche die Maschine auf engem Raum manövrieren lässt. Weil sie sogar auf der Stelle wenden können, bringen sie Eigenschaften wie die eines drehenden Oberwagens von einem Kettenbagger mit sich. Trotz dieser spezifischen Merkmale ist der Baumaschinentypus heute fast schon von der Bildfläche verschwunden. „Viele Laderaupen wurden nach Übersee verkauft oder ganz verschrottet, was es für mich umso reizvoller macht, den Kettenlader nachzubauen“, erklärt Michael Hofstätter. Beim Nachbau orientierte er sich an der Hubgeschwindigkeit, wie sie die Laderaupe im Ebianum an den Tag legt. „Ich durfte dort zigmal die Schaufel rauf- und runterfahren lassen und habe das alles mit unzähligen Fotos und Messungen dokumentiert und dann entsprechend umgesetzt, aber auch auf einer Baustelle von Stuttgart 21 bei Ulm durfte ich mich umschauen, weil dort ein Cat 973 im Einsatz war, den ich genau inspizierte“, berichtet der Modellbauer. Auch die dabei auftretenden Geräusche wollte er so authentisch wie möglich nachbilden und hat sich hier Unterstützung geholt bei Beier-Electronic aus Schorndorf – ein Betrieb, der seit 2003 Sound-, Licht- und Funktionsmodule für den RC-Modellbau entwickelt und damit quasi dem Modell Leben einhaucht. Mithilfe von Plug-and-play wird dann das Fahrgeräusch auf dem Laptop programmiert und auf das Modell aufgespielt. Auch die Zeppelin Niederlassung Ulm in Weißenhorn begleitete seit 2017 den Modellbauer bei seinem Vorhaben und unterstützte ihn mit Infos. So nutzte er den Kontakt zu den Servicemitarbeitern und erwarb über sie das Ersatzteilbuch für den Cat 983B, um sich hier über Details der einzelnen Komponenten zu informieren. Um in Erfahrung zu bringen, welchen Schrifttyp „Caterpillar“ für seinen Markennamen verwendet, half die Zeppelin Werbeabteilung weiter. Das Logo anzubringen, ist einer der letzten Schritte des Projekts. Dann muss das Modell noch Praxiserfahrung sammeln. Erst dann wird sich zeigen, ob es wie das Original auch in der Lage ist, große Mengen Erde zu schieben. Die Frage an den Hobbykonstrukteur, warum er sich für die Nachbildung der Laderaupe entschieden hat, beantwortet er nüchtern: „Bagger bauen sehr viele, Radlader ebenso, aber bei den Laderaupen auf Messen gibt es in der Größe kaum welche. Jener Schweizer, der mich mit seinem Cat 973C inspirierte, war nach meiner Auffassung in Friedrichshafen so zwei- bis dreimal auf der Modellbaumesse präsent, andere Laderaupen-Modelle habe ich allerdings noch nie gesehen. Nicht mal ein Video auf YouTube gibt es. Das könnte zeigen, dass es nicht so einfach ist, so etwas funktionell umzusetzen. Nur über Insider habe ich ein paar Ansätze erfahren, was auch bei meinem Bau zugutekam.“ Das Ergebnis kann sich sehen lassen und gerne würde es Michael Hofstätter einem größeren Publikum vorstellen. Vielleicht klappt es ja mit der Fernsehwette.

Mai/Juni 2020