Neuer Lösungsansatz für Baustoffrecycling

Rund fünf Millionen Tonnen feinkörniger Bauschutt fallen jährlich in Deutschland an. Bisher wird diese Feinfraktion auf Deponien entsorgt und zum Teil im Bereich Straßen- und Deponiebau als Untergrund wieder eingesetzt. Um die im Beton verwendeten wertvollen Rohstoffe wie Sand oder Kies wiederzugewinnen und sie in den Produktionskreislauf zurückführen zu können, haben sich vier Fraunhofer-Institute zum Ziel gesetzt, eine innovative Verwertung für feinkörnigen Bauabbruch zu realisieren. Dazu wurde das Projekt „BauCycle“ ins Leben gerufen. Die Forscher behandeln dabei die gesamte Wertschöpfungskette – von innovativen optischen Sortierverfahren über logistische Netzwerke bis hin zur Entwicklung hochwertiger Baustoffe. Diese stoffliche Wiederverwendung von Bauabbruch soll Primärrohstoffe nachhaltig schonen und einer Verknappung von Deponieraum entgegenwirken.

Feinmaterial als kritische Fraktion von Bauabbruch. Fotos: Fraunhofer
Feinmaterial als kritische Fraktion von Bauabbruch. Fotos: Fraunhofer

Die Baubranche gehört in Deutschland zu den ressourcenintensivsten Wirtschaftssektoren. Jährlich setzt sie rund 600 Millionen Tonnen an mineralischen Baurohstoffen ein. Der bundesweite Gesamtbestand an Bauwerken ist mit rund hundert Milliarden Tonnen inzwischen ein bedeutendes Rohstofflager, dessen Bestandteile nach Nutzungsende über ein gezieltes Recycling wieder dem Stoffkreislauf zugeführt werden könnten. Das Fraunhofer Forschungsprojekt „BauCycle“ hat sich als Ziel gesetzt, für die heute noch nicht wieder nutzbaren Feinfraktionen (kleiner zwei Millimeter) mineralischer Bauabfälle neue und wirtschaftlich attraktive Verwertungsoptionen zu entwickeln. Aufgrund der stofflichen Heterogenität sowie technischer und sicherheitsseitiger Herausforderungen dieses Stoffstroms sind Aufbereitungstechniken, Logistikkonzepte und Produktinnovationen erforderlich, die deutlich über den heutigen Stand hinausgehen.

An Aktualität gewinnt das Projekt zudem durch die geplante neue Mantelverordnung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB), die den Einsatz von mineralischen Ersatzbaustoffen in technischen Bauwerken regeln soll. Danach dürfen die bisher im Straßen- und Deponiebau verwendeten Materialien nicht mehr genutzt werden, wodurch der Bedarf an neuen Verwertungswegen steigt.

Die Fraunhofer-Institute für Bauphysik IBP, für Materialfluss und Logistik IML, für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB und für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT bündeln ihre Kompetenzen, um eine ganzheitliche technologische wie auch logistische Lösung für die Kreislaufwirtschaft im Bauwesen zu entwickeln. Hierzu arbeitet ein Forscherteam an einem opto-pneumatischen Sortierverfahren für Feinfraktionen, welches neben Farb- und Helligkeitserkennung auch chemische Unterschiede in den Partikeln detektieren kann. Somit können bauschuttrelevante Attribute wie beispielsweise „sulfatisch“ oder „silikatisch“ erfasst und nach diesen Kriterien sortieren werden. Ein optimales Sortierergebnis resultiert in der selektiven Abtrennung von Gipspartikeln aus dem Bauschutt. Für die Wiederverwertbarkeit der Betonfraktion stellt der Gipsgehalt ein entscheidendes Kriterium dar.

Für die nach der Sortierung vorliegenden Fraktionen werden verschiedene Ansätze zur Herstellung von Bauteilen erarbeitet, um die möglichen Recyclingwege und Verwertungspotenziale darzustellen und die Realisierbarkeit nachzuweisen. Neben der Nutzung als Zementrohstoff sollen auch Granulate für den Einsatz in akustisch aktiven Bauteilen hergestellt werden. Dies sind Bauteile, die aufgrund ihrer Mikro- und Makrostruktur in der Lage sind Schall zu absorbieren und somit im Bereich Lärmschutz eingesetzt werden. Der zukünftige Markt für Recyclingmaterialien und Bauteile ist groß: Beispielsweise sind poröse mineralische Platten prädestiniert für Schallabsorber in Lärmschutzwänden und -bauteilen. 2013 wurden 117 000 Quadratmeter Lärmschutzwände an Straßen und rund 62 Kilometer an Schienen errichtet. Des Weiteren arbeiten die Wissenschaftler an der Entwicklung zementfreier Bindemittel als Alternative zu den herkömmlich verwendeten Materialien.

Der BauCycle-Prozess im Überblick.
Der BauCycle-Prozess im Überblick.

Da sich die aus den Prozessen entstehenden Produktwertschöpfungsketten von den bisher im Bausektor vorhandenen Modellen deutlich unterscheiden, wird begleitend eine dynamische Marktplattform entwickelt. Im Sinne einer Rohstoffbörse, welche das Angebot von Recyclingfirmen und den Bedarf von Recyclingmaterial verarbeitenden Unternehmen erfasst, unterstützt sie die Markteinführung der Produkte.

Sobald die Lösung für feinkörniges Material aus dem Baubereich gefunden ist, kann diese im Anschluss auf ähnliche Fraktionen aus anderen Branchen übertragen werden. In nahezu allen mechanischen Aufbereitungsanlagen fallen Feinfraktionen an, zum Beispiel im Glasrecycling, der Bergbauindustrie, als Rückstände aus thermischen Prozessen der Eisenverhüttung oder Gießereirückstände. Die Aufbereitung, Sortierung und Anwendung von feinen Materialien bietet also ein bislang nicht erschlossenes Potenzial für die drei identifizierten Geschäftsfelder.

November/Dezember 2016