Leben nach dem Lockdown

Die Corona-Pandemie hat unser Privat- und Berufsleben auf den Kopf gestellt, wie es sich bislang niemand vorstellen konnte. Wie die Krise bewältigt werden kann, die uns noch lange Zeit beschäftigen wird, dafür gibt es keine Vorlage, an der sich Politiker und Bauunternehmer orientieren können. Vergleichbares hat es so noch nicht gegeben. Der Lockdown ist zur Belastungsprobe der demokratischen Kultur, wirtschaftlichen Struktur und für jeden Einzelnen in der Gesellschaft geworden. Ob das größte Hilfspaket der Nachkriegsgeschichte richtig war, um die Wirtschaft während der Corona-Krise vor einem Totalausfall zu retten, wird sich erst viel später zeigen. Nur hinterher ist man immer schlauer als vorher. Eines ist jedoch gewiss: Zentrale Werte wie Solidarität und Vertrauen sind der Schlüssel in der Krisenbewältigung.

Für viele Betriebe ging und geht es um die Existenz. Leere Straßen und Geschäfte verursachen große Zukunftsängste – vor allem, weil niemand weiß, wie lange der Zustand anhält, wann er besser wird oder ob wir noch schlimmeren Zeiten entgegensehen müssen. Angesichts der Hiobsbotschaften, die seit dem Ausbruch der Pandemie auf uns einprasseln, fällt es nicht leicht, optimistisch nach vorne zu blicken. Doch wie sagte schon Johann Wolfgang von Goethe: „Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen.“ Es gibt ein Leben nach der Corona- Krise, doch wie sich das entwickelt, wird von jedem Einzelnen abhängen und was er daraus macht. Führende Zukunftsforscher glauben, dass wir aus der Krise gestärkt hervorgehen werden, weil der Mensch anpassungsfähig ist, lernt, sich auf Neues einzustellen und mit Veränderungen umzugehen. So wie wir unser Leben während der Krise neu organisierten, müssen wir das auch nach der Krise tun. Das betrifft sicherlich allein schon die Art und Weise, wie wir in Zukunft miteinander im Geschäftsleben kommunizieren. Denn als während der Corona- Krise Geschäftsreisen und Meetings abgesagt wurden, kamen verstärkt digitale Kommunikationstools wie Videokonferenzen, virtuelle Workshops oder Webinare zum Einsatz, welche die persönliche Anwesenheit ersetzten. Dass das gut funktionieren kann und Mitarbeiter von zu Hause aus genauso produktiv sind, ist eine Erkenntnis, die viele Vorbehalte aus dem Weg räumt, die so mancher Chef gegenüber Homeoffice hatte. Doch angesichts der verordneten räumlichen Distanz wurde auch sehr deutlich, wie stark wir doch auf den persönlichen Kontakt angewiesen sind. Das direkte Gespräch mit Blickkontakt hat einen unschätzbaren Stellenwert, gegen den keine WhatsApp-Nachricht ankommt. Gerade in Krisenzeiten suchen Kunden nach einem verlässlichen Partner und Mitarbeiter nach einem loyalen Arbeitgeber, der sie nicht hängen lässt. Dass sich Vertrauen auszahlt, deckt sich auch mit einer Studie des Software-Unternehmens Autodesk und der Unternehmensberatung FMI Corporation. Sie befragten weltweit über 2 500 Fachleute der Baubranche, wie sie das Vertrauen in ihrer Organisation einstufen. Das Ergebnis: Im Vergleich zu Unternehmen mit einem niedrigeren Vertrauensniveau erzielen Unternehmen mit sehr hohem Vertrauen mehr betrieblichen Erfolg sowie Wiederholungsgeschäfte und behalten mehr Mitarbeiter, die ihnen die Treue halten. Das Vertrauen in unsere Gesellschaft und Wirtschaft müssen wir nun wiederherstellen. Es wird nicht einfach und wohl auch noch etwas dauern. Aber wir müssen wieder mit Zuversicht nach vorne schauen. Anpacken ist gefragt. Wir brauchen, bloß nicht wörtlich genommen, die vielbesungene Arbeitsmoral ganz nach dem Motto eines Hits der Neuen Deutschen Welle: „Jetzt wird wieder in die Hände gespuckt. Wir steigern das Bruttosozialprodukt!“ Wie heißt es doch so schön: Not macht erfinderisch. Nun müssen wir kreativ sein, um aus der Schockstarre und Schieflage wieder herauszukommen und uns fernab des Krisenmodus neu zu justieren. Marktwirtschaft reloaded.

Mai/Juni 2020