Innovation braucht Fehlerkultur

Wo gehobelt wird, da fallen Späne. Fehler bleiben im Arbeitsleben nicht aus, so gern sie jeder auch ungeschehen machen möchte. Baufirmen können sie teuer zu stehen kommen – Philipp Holzmann haben Managementfehler gar die Existenz gekostet. Marktforscher von BauInfoConsult befragten Bauakteure, wie hoch sie den Anteil von Fehlerkosten einstufen. Sie kamen dabei auf durchschnittlich 13,6 Prozent am gesamten Branchenumsatz 2017. Da dieser bei 109,5 Milliarden Euro lag, wären das dann 14,9 Milliarden Euro an Kosten, die auf die Kappe von Fehler gingen. Doch das ist nur ein Schätzwert – die Fehlerkosten dürften in Wahrheit noch viel höher ausfallen. Denn wer räumt schon freiwillig einen Fehler ein? Pfusch am Bau wird nicht an die große Glocke gehängt, sondern lieber unter den Teppich gekehrt.

Pfusch am Bau wird nicht an die große Glocke gehängt, sondern lieber unter den Teppich gekehrt. Foto: Rainer Sturm

Auch wenn Experten immer wieder die Fahne für die Qualität am deutschen Bau hochhalten und zum Vergleich europäische Nachbarn hinzuziehen: Angesichts dieser Summe kann niemand mehr von Einzelfällen reden. Da muss vieles im Argen liegen. Insbesondere werfen aus dem Ruder gelaufene Großprojekte nicht nur ein schlechtes Licht auf die Branche und insbesondere die Planung sowie externe Qualitätsüberwachung, sondern vor allem auch auf die öffentliche Hand als Bauherrn. Deutschland hat den Flughafen BER und Österreich derzeit das Krankenhaus Wien Nord, die angesichts von Fehlplanung und Baumängeln zu Millionengräbern von Steuergeldern geworden sind.

Bauunternehmen müssen sich nicht nur einem hohen Wettbewerbsdruck stellen, sondern von ihnen wird erwartet, dass sie Bauvorhaben mängelfrei und termingerecht zum vereinbarten Preis- und Leistungsverhältnis abliefern. Wenn dann noch die Konjunktur brummt und unter Hochdruck rangeklotzt wird, mag es nicht verwundern, wenn die Fehlerquote steigt. Bei den 14,9 Milliarden Euro Fehlerkosten stellt sich die Frage, ob sich bei den Rahmenbedingungen des Bauens, die bestimmt werden durch eine hohe Komplexität, eine projektbegleitende Planung, einen hohen Maschineneinsatz, personalintensive Tätigkeiten und einen geringen Automatisierungsgrad, Fehler im großen Stil überhaupt vermeiden lassen.

Voraussetzung für möglichst mängelfreies Bauen ist, dass Fehler systematisch erfasst und auch ausgewertet werden, um in Zukunft schon früh Fehler zu erkennen und sie auszuschalten. Es geht da nicht darum, den Schuldigen zu suchen, sondern zu hinterfragen: Warum kam es überhaupt dazu und was können wir in Zukunft tun, damit sich der Fehler nicht wiederholt? Um aus Fehlern zu lernen, hat die Fehlerkommunikation eine entscheidende Bedeutung. Sie muss regeln, wie Fehler angezeigt werden und wie dann mit der Information begangener Fehler umgegangen wird. Wird der vermeintliche Verursacher vor Kollegen an den Pranger und somit bloßgestellt, hat das – wie vielfach wissenschaftlich erwiesen – fatale Folgen für die Mitarbeitermotivation, das Betriebsklima und die Innovationskultur. Da wird beim nächsten Mal niemand mehr von sich aus einen kreativen Vorschlag machen und ein Risiko eingehen, sondern sich eher ruhig verhalten. „Der Faule und der Feige machen keine Fehler“, behauptete schon Oscar Wilde. Aus Angst vor Fehltritten in der Blockadehaltung zu verharren, ist eine fatale Einstellung. Risikobereitschaft und kritische Reflexion, um aus den Erfahrungen zu lernen, machen jeden Innovationsprozess aus. Mehr noch, die konsequente Analyse von Fehlern ist ein ganz entscheidender Schritt, ob ein Unternehmen nach vorne kommt und sich weiterentwickelt. Fehlschläge und Niederlagen bleiben dabei nicht aus. Im Silicon Valley gehört das Scheitern zur Kultur. Verpönt ist da das zu schnelle Aufgeben – wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Rückschläge gehören eben zu.

November/Dezember 2018