Handlungsbedarf in der Entsorgung

Bauen wird teurer – darauf müssen sich Bauherren in den nächsten Jahren einstellen. Grund dafür ist der Engpass bei der Entsorgung. Die Deponien sind randvoll – ob im Norden oder Süden Deutschlands. Unbelastete Bauabfälle und Bodenaushub werden Baufirmen häufig kaum noch ortsnah los, sondern müssen für die Entsorgung kilometerlange Umwege auf sich nehmen. Wie kontraproduktiv das für die Umweltbilanz ist, dürfte einleuchten. In Baden- Württemberg und Bayern soll bereits ein regelrechter Transport-Tourismus entstanden sein, melden die jeweiligen lokalen Branchenverbände der Bauindustrie. In Zukunft werden womöglich Wege bis ins Ausland in Kauf genommen, wo weniger strenge Auflagen herrschen und Deponien noch nicht zum Bersten voll sind. Holland hat sich schon als Abnehmer angeboten, um damit seine Deiche und Küsten vor dem ansteigenden Meeresspiegel zu verstärken. Hierzulande kann keine Kreislaufwirtschaft funktionieren, wenn zu viele Lagerstätten wegen Überfüllung schließen und zu wenige neu genehmigt werden. Die Gebührenspirale für Bau- und Abbruchabfälle hat schon angezogen. Manche Deponien verweigern gar eine Annahme. Höchste Zeit, dass sich der Gesetzgeber bewegt – wie heißt es so schön: Not macht erfinderisch? In der Vergangenheit haben Kommunen das unbeliebte Thema Entsorgungssicherheit schleifen lassen. Baugebiete schreiben Gemeinden gerne aus. Was aus dem Aushub wird, schieben sie vor sich her. Wer will schon eine Deponie in seinem Umfeld haben? Damit stößt man in der Bevölkerung auf wenig Beifall – schnell hagelt es Proteste. Um neue Deponieflächen in Betrieb zu nehmen, können locker schon mal zehn Jahre ins Land gehen. Kommt noch Widerstand aus der Bevölkerung dazu, kann sich das zähe Genehmigungsverfahren noch mehr in die Länge ziehen.

Dabei müsste es doch in einem Land, das sich mit dem Recycling schmückt, genau anders herum sein. Auch das Kreislaufwirtschaftsgesetz sieht eine Wiederverwertung von Baumaterial vor – zwar mag Deutschland ein Vorreiter sein, das Ende der Fahnenstange ist längst nicht erreicht. Derzeit entsteht der Eindruck: das Recycling tritt auf die Bremse – eine Wiederverwertung scheitert oftmals an zu strengen, manchmal auch realitätsfernen Vorgaben, welche Unternehmen ausbaden müssen. Es bräuchte mehr Mut, güteüberwachte Recycling-Baustoffe einzusetzen, sofern sie staatlich anerkannte Prüfstellen sowohl im Hinblick auf die Einhaltung der technischen Qualität als auch auf ihre Umweltverträglichkeit für unbedenklich eingestuft haben. Um Hemmschwellen abzubauen und das Image von Recyclingbaustoffen aufzupolieren, müsste der Gesetzgeber selbst voranschreiten und mehr Projekte ausschreiben. Oft hält Bürokratie Bauherren davon ab, eine Bodenuntersuchung in Auftrag zu geben, die belegt, dass der Aushub weiterverwendet werden kann. Sie befürchten, dass Beprobungsverfahren den Bauprozess verzögern. Mit der neuen Mantelverordnung sollen bundeseinheitliche Vorgaben für den Einsatz von Recyclingbaustoffen und Böden kommen, die derzeit jedes Land anders geregelt hat. Das ist zu begrüßen. Allerdings drückt die EU hier ihren Stempel auf und wenn der Amtsschimmel aus Brüssel wiehert, dann verheißt das selten etwas Gutes. Deswegen hat die Branche längst Alarm geschlagen, damit die Regelungen nicht zu einer Stoffstromverschiebung von mineralischen Ersatzbaustoffen als mineralischer Abfall und Böden in Richtung Deponie führen. Mit der neuen Mantelverordnung verschärfen sich die Vorgaben für das Recycling von mineralischen Bau- und Abbruchabfällen. Es wird weniger davon für eine Wiederverwertung aufbereitet werden können – die Mengen, die auf die Deponie müssen, steigen. Das heißt, der Deponienotstand wird noch größer, wenn es nicht gelingt, die Politik zu sensibilisieren, die Mantelverordnung zu korrigieren und sich ernsthaft der Entsorgung anzunehmen, um Boden- und Grundwasserschutz sowie Abfallvermeidung und Ressourcenschonung gleichermaßen gerecht zu werden.

Juli/August 2017

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