Förderbrücke im Tagebau Cottbus-Nord gesprengt

Ende einer Ära

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Ihren Ruhestand trat sie im letzten Jahr nach 50 Jahren Dauerbetrieb an, als Mitte August der letzte Abraum über das Band der Abraumförderbrücke F 34 geschickt worden war. 2015 war der Tagebau Cottbus-Nord ausgekohlt und somit das „Aus“ von F 34 besiegelt. Ihre Sprengung läutete das Ende einer Ära der Braunkohleförderung in der Lausitz ein. Wo früher Bagger das Erdreich umgruben und Kohle förderten, soll mit dem Cottbuser Ostsee Brandenburgs größtes künstlich geschaffenes Gewässer mit einer Fläche von 1 900 Hektar entstehen, das voraussichtlich vom Winter 2018/2019 an bis 2024 mit Wasser aus der Spree geflutet wird.

Die F 34 ist einer der Vorläufer der heutigen F 60, des größten beweglichen Maschinenkomplexes der Welt. Wie diese war auch die Abraumförderbrücke 34 mit der Gerätenummer 27 vom Takraf VEB Schwermaschinenbau Lauchhammerwerk hergestellt worden. Sie kam 1962 zunächst im Tagebau Seese-West zum Einsatz. Mit dem Ende des Tagebaus wurde sie 1983 in den Tagebau Cottbus-Nord umgesetzt, wo 1981 die Kohleförderung begonnen hatte. Der Brückenkomplex verfügte über zwei Eimerkettenbagger vom Typ Es 1120, mit denen eine Abraummächtigkeit von über 34 Metern abgetragen werden konnte. Daher die Bezeichnung F 34. Der Abraum wurde auf Förderbändern über eine Länge von mehr als 300 Metern von der Abgrabungs- auf die Kippenseite transportiert und dort aus etwa 40 Metern Höhe verstürzt. Auf diese Weise wurden rund 20 Millionen Kubikmeter Abraum jährlich durch diese Bergbaumaschine gefördert, also etwa eine Milliarde Kubikmeter in ihrem über 50-jährigen Arbeitsleben. Zeitweise waren im Tagebau Cottbus- Nord zwei Abraumförderbrücken F 34 parallel im Einsatz. Die ältere von beiden mit der Gerätenummer 22 wurde 1991 außer Betrieb genommen und nach teilweiser Demontage 1995 gesprengt. Das gleiche Schicksal erfuhr nun auch das Gerät Nummer 27 – und damit die letzte Vertreterin der F-34-Serie von Takraf. „Eine Sprengung bei so einer Konstruktion macht vor allem deshalb Sinn, weil sie deutlich billiger ist als ein Rückbau“, meinte Franz Spindler, Bauleiter von TVF Altwert aus Cottbus, von Vattenfall für die Sprengung beauftragt.

Übrig blieben mehrere hundert Tonnen Stahl, die nun im Lauf der nächsten Wochen zerkleinert werden
Übrig blieben mehrere hundert Tonnen Stahl, die nun im Lauf der nächsten Wochen zerkleinert werden
Ein Cat Kettenbagger 324ELN hatte hierfür schon mal Position bezogen.
Ein Cat Kettenbagger 324ELN hatte hierfür schon mal Position bezogen.

Mit einem lauten Knall war dann auch schon alles vorbei – die Sprengung erfolgte auf die Sekunde genau. Dunkle Wolken und ein Feuerblitz stiegen in den Himmel auf, kurz danach sackte der Stahlkoloss in sich zusammen – genau wie vorgesehen. „Unser Plan war, dass der Mittelteil der Förderbrücke bei der Sprengung seitlich nach unten fällt, damit wir dann hinterher besser rankommen, um den Stahl in transportfähige Stücke zu schneiden“, erklärte Roland Domke, Prokurist bei TVF Altwert. Der Plan ging auf. Die Spezialisten hatte die Sprengung richtig berechnet – die F 34 ging kalkuliert zu Boden. Übrig blieben mehrere hundert Tonnen Stahl, die nun im Lauf der nächsten Wochen von TVF Altwert auf Containergröße zerkleinert und abtransportiert werden. Ein Cat Kettenbagger 324ELN hatte hierfür schon mal Position bezogen. 25 Mitarbeiter sicherten einen Radius von 300 Meter rund um die F 34 ab, dem sich niemand nähern durfte. Eine Stunde vor der Sprengung wurde der Zündkreis geschlossen. Den elektrischen Zünder betätigte aus sicherem Abstand heraus nach entsprechendem Warnsignal der Sprengmeister Michael Schneider von RL Liesegang. TVF Altwert hatte das Sprengkonzept erarbeitet und war seit Januar damit zu Gange, die Sprengung im Detail vorzubereiten. Schließlich sollte nichts dem Zufall überlassen bleiben. Erschütterungsmessungen wurden vorsorglich insbesondere bei einem Umspannwerk mehrere hundert Meter von der Sprengstelle entfernt vorgenommen. Damit sollte belegt werden, dass kein Schaden entstanden ist. Die Markscheiderei setzte eine Drohne ein, um aus der Luft heraus die Wucht der Sprengung zu dokumentieren.

Roland Domke (rechts), Prokurist bei TVF Altwert, und Thomas Köppen, Verkäufer der Zeppelin Niederlassung Cottbus, vor der Sprengung.
Roland Domke (rechts), Prokurist bei TVF Altwert, und Thomas Köppen, Verkäufer der Zeppelin Niederlassung Cottbus, vor der Sprengung.

Bereits im Vorfeld wurde eine Kabeltrommel mit einem Durchmesser von acht Metern entfernt beziehungsweise in Sicherheit gebracht. Auch der Querförderer der F 34 wurde vorab beseitigt und das Gummiband des Abraumförderers abgebaut. Schmierstoffe wie Öle wurden abgesaugt. Fette wurden weggespachtelt. Denn die Förderbrücke hatte schadstofffrei zu sein. Sämtliche Strom- und Wasserleitungen wurden demontiert. Restliche Kabel wurden an den Sprengstellen, die mit blauem Klebeband markiert wurden, geschnitten, um sie im Nachgang leichter entfernen zu können. 24 Kilogramm Sprengstoff befestigten die Mitarbeiter von TVF Altwert an 150 Stellen der F 34. Hier erwies sich im Zuge der Sprengvorbereitung der Cat Telehandler 414C samt seinem acht Meter breiten Arbeitskorb und seiner Hubhöhe von über 13 Metern als wertvolles Hilfsgerät. „Allradlenkung und Allradantrieb machen das Gerät besonders geländegängig und wendig, was für den Einsatz im Tagebau von großem Vorteil ist. Wichtig ist vor allem die Bodenfreiheit der Maschine, auf die es hier vor allem aufgrund der widrigen Bodenverhältnisse ankommt. Dank Parallelhub und der großen Hubhöhe und Reichweite eignet sich das Gerät für viele Montagearbeiten“, unterstrich Thomas Köppen, der seitens der Zeppelin Niederlassung Cottbus TVF Altwert den Telehandler lieferte. Sein dreiteiliger Ausleger wurde eigens für Industrieeinsätze, wie sie TVF Altwert immer wieder ausführen muss, entwickelt. Es war nicht das erste Mal, dass das Unternehmen für Vattenfall eine Sprengung vornahm. „Wir können viele Referenzen vorlegen und sind bei Vattenfall als kompetentes Spreng- und Rückbauunternehmen gelistet“, so Roland Domke. 2014 hatten die Experten bereits im Tagebau Welzow einen Schaufelradbagger gesprengt. 2012 fiel der 300 Meter hohe Schornstein im Vattenfall-Kraftwerk Boxberg und damit der neunte Turm, der in der Lausitz und in Leipzig von TVF Altwert zu Fall gebracht wurde. Fünf wurden von dem Unternehmen gesprengt, vier konventionell rückgebaut. Der zehnte verbliebene Schornstein steht noch heute.

Die F 34 ging kalkuliert zu Boden.
Die F 34 ging kalkuliert zu Boden.

1994 gegründet, beschäftigen sich die rund 85 Mitarbeiter des Unternehmens, das inzwischen zur Alba-Gruppe gehört, nicht nur mit Sprengungen, sondern mit den Bereichen Abbruch, Demontage, Sanierung, Entsorgung und Recycling. Vor allem komplexe Industrieanlagen haben es den Spezialisten angetan. Was sie mit der Sprengung der Förderbrücke F 34 gemein haben: Es ist Präzisionsarbeit, die von ihnen punktgenau abverlangt wird. Denn wie die Sprengung im Tagebau Cottbus- Nord zeigte: Der Erfolg von Planung und Vorbereitung entscheidet sich binnen Sekunden.

November/Dezember 2015

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