„Grafen scheitern erfolgreich“

Zeppelin-CEO Peter Gerstmann über eine krisenfeste Unternehmenskultur als Basis für den Erfolg

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Die Covid-19-Pandemie hat auch den Zeppelin Konzern vor große Herausforderungen gestellt. Trotz des schwierigen Umfelds hat das Unternehmen das Geschäftsjahr 2020 mit einer Umsatzsteigerung und einem soliden Ergebnis abgeschlossen. Was ist das Erfolgsrezept, welches das Unternehmen bisher so gut durch die Krise getragen hat? Wir sprachen mit Peter Gerstmann, dem Vorsitzenden der Konzerngeschäftsführung der Zeppelin GmbH, über Lehren aus der Finanzkrise 2008/2009, Kundenfokussierung und die Bedeutung einer tief verwurzelten Unternehmenskultur.

Baublatt: Herr Gerstmann, Covid-19 ist eine Herausforderung für alle Unternehmen. Der Zeppelin Konzern hat das Geschäftsjahr 2020 dennoch sehr erfolgreich abgeschlossen. Wie ist das gelungen?

Peter Gerstmann: Ja, das ist richtig, wir haben angesichts des schwierigen Umfelds die Covid-19-Krise bisher sehr gut gemeistert, gerade wenn man das mit der Finanzkrise 2009 vergleicht. Auch damals war die komplette Weltwirtschaft betroffen und Zeppelin musste große Umsatz- und Ergebniseinbußen hinnehmen. Auch für das Geschäftsjahr 2020 gab es Einschnitte, die aber im Vergleich deutlich geringer ausfielen. Während wir in der Finanzkrise einen Ergebniseinbruch von fast 75 Prozent zu verzeichnen hatten, liegt der aktuelle Ergebnisrückgang bei lediglich elf Prozent, bei nahezu vergleichbaren Markteinbrüchen. Ich glaube, das zeigt eindrucksvoll, wie stark Zeppelin heute aufgestellt ist. Dafür gibt es mehr als einen Grund. Wir haben die Erfahrungen, die wir 2008/2009 gemacht haben, gründlich analysiert und unsere Unternehmensstrategie – die wir GPS nennen – neu ausgerichtet. Sie ruht auf den Pfeilern „Growth“, was für kontinuierliches Wachstum steht; „Performance“ für solide Leistungen und „Stability“ für nachhaltiges Handeln. Gleichzeitig wurde uns bewusst, dass wir auch unsere Unternehmenskultur an einigen Stellen transformieren müssen. Es war uns wichtig, besonders Innovation, Veränderungsbereitschaft und Agilität in den Mittelpunkt zu stellen. Unsere Mitarbeiter sind unser größter Erfolgsfaktor und deshalb ist sehr wichtig, dass alle das gleiche Werteverständnis teilen und so auch in schwierigen Zeiten gut zusammenstehen. Wir haben dann die zehn Grafensätze entwickelt, unser Wertesystem, als Ausdruck unserer Unternehmenskultur, das ein wesentlicher Grund für die aktuell bisher so gut gemeisterte Krise ist. Nicht zuletzt war es auch von Vorteil, dass wir zu Beginn der Covid-19-Pandemie und dem ersten Lockdown im Frühjahr 2020 sehr schnell reagiert und ein auf unseren Werten basierendes Krisenmanagement etabliert haben.

Peter Gerstmann, der Vorsitzende der Zeppelin Konzerngeschäftsführung, über Lehren aus der Finanzkrise 2008/2009, Kundenfokussierung und die Bedeutung einer tief verwurzelten
Unternehmenskultur. Foto: Zeppelin

Baublatt: Wie hat Zeppelin in der aktuellen Covid- 19-Pandemie genau reagiert und was haben Sie bisher aus dieser Situation gelernt?

Peter Gerstmann: Für uns stand von Anfang an fest, dass der Service für unsere Kunden, die Sicherung unserer operativen Handlungsfähigkeit als Unternehmen, der Schutz unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die finanzielle Unabhängigkeit unseres Unternehmens im Mittelpunkt stehen. Doch trotz Distanz und unter Einhaltung des Arbeitsschutzes sorgten wir stets dafür, durchweg für die Kunden erreichbar zu sein. „Wenn’s drauf ankommt“, war eines unserer Erfolgsrezepte, mit dem wir überzeugten. Dass wir Niederlassungen schließen, wäre für uns nie infrage gekommen. Unsere Kunden wissen, wenn sie sich für ein Produkt oder eine Dienstleistung von uns entscheiden, können sie sich zu hundert Prozent auf Zeppelin verlassen Die Covid-19-Pandemie hat einige Entwicklungen, die bereits eingesetzt hatten, beschleunigt, vor allem im Bereich der Digitalisierung und neuer Arbeitsformen. Wir haben bei Zeppelin ja frühzeitig die Tragweite digitaler Services, besonders im Bereich der Baubranche, erkannt und aktiv vorangetrieben. Insofern sehen wir uns auf unserem Weg hin zu einem digitalen, integrierten Service- und Lösungsanbieter bestätigt und werden auch weiter massiv in diesen Bereich investieren. Was die Arbeitsformen angeht, so haben wir gelernt, uns zu „minimalisieren“ und dabei festgestellt, dass vieles auch in anderen Formen gut funktioniert. Wo wir früher große Symposien besucht haben, halten wir heute digitale Meetings ab – oft kommt man dort schneller auf den Punkt beziehungsweise es werden schneller Lösungen gefunden und dokumentiert.

Baublatt: Wie haben sich die Lehren aus der Finanzkrise nun konkret als Vorteil gezeigt?

Peter Gerstmann: Wir haben damals, nach einer zehn Jahre währenden Wachstumsphase, tiefe Einschnitte verkraften müssen und erkannten, dass wir uns zu sehr auf die kurzfristige Ertragskraft und das schnelle Wachstum des Unternehmens fokussiert, dabei aber wesentliche Risikofaktoren ausgeblendet haben. So trafen uns Währungs- und Bestandsrisiken überproportional und unerwartet. Zeppelins Struktur war zu sehr auf Primärprodukte ausgerichtet und wir hatten große Warenbestände aufgebaut. Daraus haben wir gelernt und unser Risikomanagement verbessert. Risiken aus Fremdwährungen wurden begrenzt, und auch die Steuerung unser Warenbestände erfolgt heute flexibler und bedarfsorientiert. Strategisch haben wir den Zeppelin Konzern nach der Finanzkrise grundlegend neu ausgerichtet. Vom Industrie- und Handelskonzern haben wir uns zu einem integrierten Service- und Lösungsanbieter entwickelt und besonders den Serviceaspekt weiter ausgebaut. Heute macht das Service- und Dienstleistungsgeschäft nahezu 50 Prozent unseres Umsatzes aus und macht uns damit unabhängiger von den Marktschwankungen der Primärprodukte. Die Finanzkrise hat uns gelehrt, nicht schnell, sondern nachhaltig zu wachsen. Uns wurde damals klar, dass wir zukünftig nicht wertorientiert, sondern werteorientiert wachsen wollen. Heute zeichnet sich Zeppelin nicht nur durch die Einsatzbereitschaft und das unermüdliche Engagement der Mitarbeiteraus, sondern auch durch eine ausgeprägte Fehlerkultur, die uns unsere Weiterentwicklung durch Selbstreflexion und Lernbereitschaft ermöglicht. „Grafen scheitern erfolgreich“ – so lautet einer unserer zehn Leit- und Grafensätze. Aus Fehlern lernen und darauf basierend bessere Entscheidungen treffen, um gezielt für die Zukunft besser aufgestellt zu sein.


Baublatt: Wie hat Zeppelin die Kunden in den vergangenen Monaten unterstützt?

Peter Gerstmann: Unser Credo „We create Solutions“, also unseren Kunden maßgeschneiderte Lösungen zu bieten, galt für uns selbstverständlich auch uneingeschränkt während des Lockdowns. Wir waren und sind jederzeit für unsere Kunden erreichbar und haben aufgrund der Situation auch flexibel neue Wege beschritten – begünstigt durch die Digitalisierung. So haben wir sehr schnell virtuell Kontakt zu unseren Kunden aufgenommen und die neuen Kanäle in der Kommunikation genutzt. Bei der Wartung oder Inbetriebnahme von Geräten und Anlagen kamen VR-Brillen zum Einsatz, damit die Kunden ohne Zeitverzögerung an ihren Projekten weiterarbeiten konnten. Mit temporären Raumsystemen bei der Einrichtung von Corona-Testzentren oder bei einem großen Covid-19-Behandlungszentrum auf dem Berliner Messegelände bot unsere Rental Organisation Lösungen in der Krise. Die wirtschaftliche Sicherung unseres Unternehmens war uns natürlich ein wichtiges Anliegen und entsprechend haben wir unsere Ausgaben gesenkt. Dabei war es uns besonders wichtig, unsere Krisensicherung nicht auf Kosten unserer Geschäftspartner und Kunden zu betreiben und ein verlässlicher und fairer Partner auch in der Krise zu sein. Unter dem Slogan „Wenn’s drauf ankommt“ haben wir unseren Kunden deshalb unmittelbar ein Paket mit interessanten Finanzierungskonditionen mit verlängertem Zahlungsziel, verbunden mit einer verlässlichen und fairen Inzahlungnahme von Gebrauchtmaschinen sowie einem allzeit verfügbaren Service in gewohnter Qualität angeboten. Auch unser Partner Caterpillar Financial Services hat flexibel auf die Bedürfnisse unserer Kunden reagiert, sowohl in Österreich, wo es im Lockdown zu Stilllegungen von Baustellen kam, als auch in Deutschland. Die Kunden erhielten in kürzester Zeit die Zusicherung, dass im Bedarfsfall die Ratenstruktur ihrer bestehenden Finanzierungs- und Mietverträge im Jahr 2020 ohne zusätzliche Gebühren angepasst werden könne. Bereits in anderen schwierigen Situationen wie beim Ende des Baubooms Ende der 90er-Jahre, beim Elbehochwasser 2002 oder im Zuge der Finanzkrise 2008 hat Caterpillar Financial Services mit ähnlichen Hilfsprogrammen reagiert, um Kunden die Sicherheit zu geben, dass sie nicht alleingelassen werden. Für Zeppelin stand von Anfang an fest, dass wir aus unserer Hilfe und aus einer Krise keinen wirtschaftlichen Vorteil ziehen wollen.

Baublatt: Was hat Ihrer Ansicht nach die Mitarbeiter in dieser Zeit motiviert?

Peter Gerstmann: Da gibt es verschiedene Faktoren. Zum einen natürlich war das positive Kundenfeedback auf unsere Erreichbarkeit und unsere Lösungen eine unmittelbare und schöne Anerkennung und damit Motivation für alle Zeppeliner. Aber wir haben bereits zu Beginn der Pandemie deutlich gemacht, dass wir keine Mitarbeiterin und keinen Mitarbeiter aufgrund der Krise verlieren wollen und dass uns die Sicherheit der Arbeitsplätze wichtig ist. Dort, wo es aufgrund des Auftragsrückganges keine Arbeit gab, und nur dort, haben wir das Instrument der Kurzarbeit genutzt. Hier haben wir den Betrag für die Mitarbeiter aufgestockt und eine soziale Untergrenze definiert, ab der wir hundert Prozent Aufstockung garantiert haben. Dass wir als Management in diesem Kontext auch auf einen Teil unserer Bezüge verzichtet haben, war dabei selbstverständlich. Bei uns gilt „We are Zeppelin“ – wir stehen zusammen und können uns aufeinander verlassen, das spiegelt sich auch in unserem Grafensatz „Grafen kriegen Unterstützung“ wider. Das motiviert natürlich die Belegschaft ungemein, wenn sie weiß, dass der Zusammenhalt das Geschäft stärkt und damit die Arbeitsplätze sichert.

Baublatt: Wird die Covid-19-Pandemie langfristig Auswirkungen auf das Produkt- und Serviceportfolio haben?

Peter Gerstmann: Ich bin überzeugt, dass die Pandemie einige Entwicklungen, die sich ohnehin schon abzeichneten, noch verstärkt hat. Insofern kann man sie als „Change- und Innovationsbeschleuniger“ bezeichnen. Die Situation hat dazu geführt, dass bereits angestoßene Digitalisierungstrends schneller umgesetzt werden. Auch die Formen des Zusammenarbeitens haben sich verändert, und das wird so bleiben – die neuen Formen der Kommunikation und Unterstützung, die wir unseren Kunden eröffnet haben, werden wir auch künftig beibehalten. Neue Umstände bringen auch neue Ideen hervor – deshalb haben wir alle Zeppelin Mitarbeiter gebeten, ihre Ideen und Verbesserungsvorschläge, die sich speziell aus der besonderen Covid-19-Situation ergeben haben, über unser konzerneigenes Ideenmanagement-System Z IDEA einzureichen. Wir schauen uns das alles genau an und prüfen, was wir davon umsetzen können. Ich sehe diese Krise als eine Chance – sie wird langfristig unser Produkt- und Serviceportfolio eher erweitern und bereichern.

Baublatt: Die Veränderungen in der Arbeitswelt haben Sie ja eben schon angesprochen. Wird es das „neue Normal“ auch noch nach Covid-19 geben, sprich können die Mitarbeiter auch weiterhin mobil arbeiten? Hat das Auswirkungen auf die Kundenbeziehungen?

Peter Gerstmann: Ja, auch das wird ein Gewinn aus der Krise sein. Bei Zeppelin haben wir schon zu Beginn der Pandemie das mobile Arbeiten, dort wo es möglich ist, mit einer Konzernbetriebsvereinbarung auf feste Füße gestellt. Wir setzen in Zukunft auf hybrides Arbeiten – eine Mischung aus Präsenz- und Mobilarbeit. Der persönliche Kontakt ist sehr wichtig, aber an manchen Stellen macht es durchaus Sinn, kritisch zu hinterfragen, ob jede Dienstreise unbedingt nötig ist. Die Kunden können sich darauf verlassen, persönlich von uns betreut zu werden. Gleichzeitig erweitern wir unsere Unterstützung zunehmend um digitale Tools – im Bereich der Baumaschinen sind da der Baumaschinen-Konfigurator oder die Baggerbörse schöne Beispiele.

Baublatt: Auch wenn Zeppelin bisher die Covid-19-Pandemie gut gemeistert hat: Wo sehen Sie noch Optimierungspotenzial im Konzern?

Peter Gerstmann: Nicht erst seit der Corona-Pandemie erfährt die Arbeitswelt einen strukturellen Wandel, doch hat sich seitdem der Veränderungsdruck erhöht, dem wir uns stellen müssen. Die Gründe für die Transformation gehen auf die Digitalisierung, die Globalisierung sowie den demografischen Wandel zurück. Der Inbegriff für die neue Art zu leben und zu arbeiten ist New Work – neue Arbeit. Dabei handelt es sich um ein Konzept für eine Neuausrichtung der Arbeitskultur und Unternehmensorganisation, das in Zukunft auch die Arbeitsweise bei Zeppelin bestimmen wird und mit dem wir uns bereits beschäftigen.

Baublatt: War es schwierig für Sie als CEO das Unternehmen aus dem Homeoffice zu steuern?

Peter Gerstmann: Ich war es gewohnt, immer den direkten Kontakt zu Kunden sowie Mitarbeitern zu haben und Themen sowie Lösungen persönlich zu besprechen. Als das nicht mehr möglich war, war es schon eine Umstellung für mich. Aber auch dafür haben wir neue Konzepte entwickelt. Die Zeppelin Geschäftsführung hat die Mitarbeiter „virtuell“ besucht. Wir haben ein Live-Streaming geschaltet, bei dem jeder Teilnehmer auch direkt – namentlich oder anonym – Fragen stellen konnte. Das wurde sehr gut angenommen. Die Möglichkeit der anonymen Fragerunde habe ich als Gewinn empfunden, da traut sich so manch einer, Fragen zu stellen, die sonst nicht gestellt würden. Und das hat uns auch die Chance gegeben, Sachverhalte tiefer zu erklären und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter konnten so an einigen Stellen auch ein größeres Verständnis entwickeln.

Mai/Juni 2021