Es stinkt

Für Bauunternehmen und Galabauer war es – wie für das übrige Handwerk auch – ein harter Schlag, den das Bundesverwaltungsgericht der Branche verpasste, als es die phasenweise Einführung von Fahrverbote für Dieselfahrzeuge forderte. Neben Stuttgart und Düsseldorf sind mindestens noch weitere 37 Städte betroffen, die laut Umwelt­bundes­amt die durchschnitt­liche Belastung der Luft mit Stick­oxid den Grenz­wert von 40 Mikrogramm je Kubik­meter Luft überschritten haben. Doch es soll Ausnahmen geben. Darauf beharrt das Handwerk. Wir haben die Forderungen der Branche zusammengetragen. Denn wie die anstehenden Fahrverbote aussehen, ist derzeit noch offen.

Dicke Luft bedingt durch Diesel-Fahrverbote. Foto: Gabi Eder/pixelio.de

Thomas Möller, Hauptgeschäftsführer der Bauwirtschaft Baden-Württemberg, warnt eindringlich vor den Folgen auf die Bautätigkeit: Ein Fahrverbot käme für viele Baufirmen einem Arbeitsverbot gleich. Denn die Betriebe hätten auf langjährigen Einsatzmöglichkeiten vertraut und in Dieselfahrzeuge investiert. „Wir erwarten deshalb von der Politik, dass sie dafür sorgt, dass die Firmen zumindest nicht auf den enormen Umrüstungskosten sitzen bleiben“, forderte Möller. Er verwies darauf, dass der Fuhrpark der meisten Bauunternehmen zu gut 90 Porzent aus Dieselfahrzeugen besteht mit einer durchschnittlichen Nutzungsdauer von 15 Jahren. Bei einem Diesel-Fahrverbot könnten diese Betriebe nicht mehr ihre Baustellen in den Umweltzonen ansteuern und würden dadurch massiv Aufträge verlieren, was Arbeitsplätzen gefährden würde und letztlich existenzbedrohend wäre. Eine Nachrüstung der Bestandsfahrzeuge sei im Übrigen technisch nur bedingt möglich und im Hinblick auf den Gesamtfuhrpark für kleinere Baufirmen finanziell kaum leistbar. Derzeit erfüllten laut Möller gerade einmal fünf Prozent der Lastkraftwagen die Euro-6-Norm. Deshalb müsse die Bundesregierung entweder entsprechende Förderprogramme auflegen oder aber Ausnahmeregelungen für Handwerksbetriebe schaffen, die ausreichend lange Übergangsfristen für Neuinvestitionen berücksichtigen. Durch mögliche Diesel-Fahrverbote würde außerdem die derzeit gut laufende Baukonjunktur im Land stark ausgebremst, denn viele Wohnungsbauten entstünden gerade in den Innenstädten, die von einem Einfahrverbot betroffen wären: „Wie soll denn hier künftig weiter gebaut werden, wenn der Weg zur Baustelle für die Firmen faktisch versperrt wird? Unsere Mitarbeiter können schließlich nicht mit dem Fahrrad die tonnenschweren Gerätschaften und Baumaterialien auf die Baustelle transportieren“, umschreibt er das drohende Szenario.

Angesichts der Auswirkungen dieser Entscheidung für die GalaBau-Betriebe drängt der Bundesverband Garten- Landschafts- und Sportplatzbau e.V. auf Ausnahmegenehmigungen für Dieselfahrzeuge, die von Betrieben des Garten- und Landschaftsbaus im Vertrauen auf gültige Normen erworben wurden. „Es ist nicht einzusehen, dass GalaBau-Betriebe für Versäumnisse der Automobilindustrie und der Politik aufkommen sollen. Für die kleinen und mittleren Betriebe der Branche ist eine Nachrüstung und schon gar nicht der Austausch der Fahrzeugflotten finanziell machbar und mehr als nur eine Bedrohung der Existenz. Aus diesem Grund werden wir uns für eine bundesweit einheitliche Ausnahmegenehmigung gemeinsam mit befreundeten und betroffenen Verbänden einsetzen“, kündigte Hauptgeschäftsführer Dr. Robert Kloos des Verbandes an.

Für die Fachgemeinschaft Bau bedeutet das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, Städte zum Erlass von Diesel-Fahrverboten ohne eine bundesweit einheitliche Regelung zu berechtigen, einen Rückfall in die Kleinstaaterei. Die Entscheidung wirft zudem neue Probleme auf, ohne das eigentliche zu lösen. „Der Konflikt zwischen Gesundheits- und Klimaschutz einerseits sowie wohnungsbaupolitischer und infrastruktureller Ziele andererseits muss durch ein vernünftig abgewogenes Gesamtkonzept mit Augenmaß gelöst werden“, erklärte Dr. Manja Schreiner, Hauptgeschäftsführerin der Fachgemeinschaft Bau Berlin und Brandenburg. Die regionale Bauwirtschaft brauche Planungssicherheit und eine bundesweit einheitliche Lösung. Sollte sich der Berliner Senat in Anlehnung an das Urteil für Fahrverbote entscheiden, käme das quasi einem Bauverbot im Innenstadtbereich sowie einer Komplettentwertung des Fuhrparks der Bauunternehmen gleich. „Die Hälfte unserer Unternehmen unternimmt die überwiegende Anzahl aller betrieblichen Fahrten innerhalb der Umweltzone und nicht auf der Stadtautobahn. Zudem wurden viele der aktuell bei den Baubetrieben eingesetzten Fahrzeuge erst vor wenigen Jahren neu angeschafft. Damit träfen Fahrverbote existenzbedrohend einen Wirtschaftsbereich, der aktuell technisch noch nicht einmal Alternativen hat“, so Dr. Manja Schreiner. Der Bauverband appelliert daher an den Senat, pauschale Fahrverbote zu vermeiden und das vom Gericht geforderte Augenmaß zu bewahren. Zudem müsse der Bund die Autoindustrie statt der Baubetriebe in die Pflicht nehmen. „Wir wollen unseren Anteil zur Luftreinhaltung leisten. Nachrüstungen für die noch fast neuen Baufahrzeuge müssen aber durch die wahren Verursacher finanziert werden, Übergangsfristen die normale Lebensdauer eines Nutzfahrzeugs berücksichtigen und normerfüllende Antriebe auf den Markt gebracht werden.“ Das Urteil lässt Ausnahmeregelungen für Handwerker zu. Davon muss der Berliner Senat auch Gebrauch machen. Andernfalls käme auf die Verwaltung eine Welle an Anträgen auf Ausnahmegenehmigungen zu. „Die Berliner Verwaltung ist dem personell nicht gewachsen. Schon heute dauern Ausnahmegenehmigungen Wochen bis Monate. Gleichzeitig sind kurzfristige Baumaßnahmen von der öffentlichen Hand gefordert. Das geht nicht zusammen“, machte die Hauptgeschäftsführerin des Verbandes deutlich.

Hans Peter Wollseifer, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH), stellte klar: „Das aktuelle Urteil, Fahrverbote grundsätzlich zu ermöglichen, ist keinesfalls ein Freifahrtschein, um in ganz Deutschland Dieselfahrzeuge aus den Städten auszuschließen. Fahrverbote sind nicht alternativlos. Es gibt zahlreiche Maßnahmen, mit denen sich Schadstoffe spürbar reduzieren lassen. Diese Möglichkeiten müssen ausgeschöpft werden. Denn Fahrverbote sind massive Eingriffe in Eigentumsrechte, in die Mobilität und in die Freiheit beruflicher Betätigung. Es ist nicht einzusehen, dass unsere Handwerksbetriebe über enteignungsgleiche Fahrverbote für die Fehler von Herstellern und Politik haftbar gemacht werden. Verursacher des Dieselproblems sind die Autohersteller, nicht wir Handwerker. Wir sehen deshalb in erster Linie die Autohersteller in der Pflicht, über Softwareupdates hinausgehend endlich auch technische Nachrüstungen vorzunehmen und als Verursacher der Misere dafür die Kosten zu tragen. Es kann nicht sein, dass Handwerker und Verbraucher die Zeche zahlen. Die Politik muss für diese Nachrüstungen den entsprechenden gesetzlichen Rahmen schaffen.“ Der ZDH forderte, den ÖPNV auszubauen und Dieselbusse nachzurüsten. Es müsse in Verkehrsleitsysteme für einen stauvermeidenden Verkehrsfluss investiert werden. Zudem müsse eine Infrastruktur für E-Mobilität, aber auch für andere innovative Antriebssysteme geschaffen werden. „Die Industrie hat die Aufgabe, schadstoffarme, leistungsfähige und für das Handwerk geeignete Transporter auf den Markt zu bringen. In diesem Segment gibt und gab es fast nur Diesel. Es ist mehr als enttäuschend, dass die Autohersteller auch zu Beginn des Jahres 2018 kaum für das Handwerk geeignete Fahrzeuge anbieten.“

Januar/Februar 2018