Energiewende im Boden

Bis 2050 sollen 80 Prozent der Stromversorgung in Deutschland aus erneuerbaren Energien kommen. Eine Herausforderung, denn grüner Strom wird hauptsächlich durch Wind im Norden erzeugt. Die Suedlink-Leitung soll das Problem lösen. Der Plan der Stromnetzbetreiber Tennet und TransnetBW ist, über eine Höchstspannungstrasse den aus Windenergie gewonnenen Strom von Norddeutschland nach Bayern und Baden-Württemberg zu transportieren. Doch der geplante Korridor stößt nicht überall auf Zustimmung. Der Grund: Es sollen Erdkabel verwendet werden. Viele Landwirte sorgen sich um ihre Böden. In Zusammenarbeit mit dem Bauunternehmen Leonhard Weiss erforschen TransnetBW und Wissenschaftler der Universität Hohenheim, wie sich das Bauvorhaben auf landwirtschaftliche Flächen auswirkt.

Die Stromverbindungstrasse Suedlink besteht aus zwei über weite Strecken parallel verlaufenden Strängen. Sie beginnt in Wilster und Brunsbüttel (beides Schleswig- Holstein) und endet in Grafenrheinfeld (Bayern) und Großgartach (Baden- Württemberg). Die Betreiber verfolgen bei Suedlink das Ziel, die Erdkabel so umweltschonend wie möglich zu verlegen und gleichzeitig eine sichere Stromversorgung zu gewährleisten. Da Bodenschutz für Landwirte besonders wichtig ist, untersuchen TransnetBW und die Uni Hohenheim die Auswirkungen der Trasse auf landwirtschaftliche Flächen in einem Forschungsprojekt anhand von vier identischen Versuchsfeldern an unterschiedlichen Standorten.

Mit der Universität Hohenheim hat TransnetBW einen kompetenten Forschungspartner gefunden, da die Uni speziell auf die Gebiete der Agrar-, Natur- und Wirtschaftswissenschaften spezialisiert ist. Experten aus dem Bereich Bodenkunde arbeiten unter anderem an dem Forschungsprojekt. Der wissenschaftliche Mitarbeiter Alexander Schade erklärt, wie die Felduntersuchung abläuft: „Erdverlegte Stromkabel geben Wärme in den umgebenden Boden ab. Diesen Vorgang simulieren wir mit Heizleitern, die unter der Erde in schützenden Kunststoffrohren liegen und entsprechend tatsächlichen Kabeln für die Hochspannungs-Gleichstrom- Übertragung dimensioniert sind. An die Heizleiter wird ein Gleichstrom angelegt. Dadurch erhitzen sie sich und geben Wärme in den Boden ab. Die Heizleitungen bei den Felduntersuchungen haben annähernd die gleichen Dimensionen wie die Kabel, die später bei Suedlink zum Einsatz kommen. Um die Auswirkungen dieses Vorgangs auf die Ertragsfähigkeit der Böden zu erfassen, haben wir vier Versuchsfelder mit bestimmten Bodenbeschaffenheiten ausgewählt und messen dort jeweils in drei Versuchsgräben verschiedene Kennwerte.“ Gemessen werden auch potenzielle Veränderungen der Bodenstruktur und des Boden-, Wasser- und Wärmehaushalts sowie des Pflanzenwachstums.

Die Auswahl ist auf Kochendorf (Kreis Heilbronn), Großrinderfeld, Boxberg (beides Kreis Main-Tauber) und Güntersleben (Kreis Würzburg) gefallen. Die Landwirte der einzelnen Flächen bewirtschaften im Anschluss an die Einrichtung die Flächen wieder praxisüblich. Der wissenschaftliche Mitarbeiter erklärt: „Die Standorte liegen in der Nähe der geplanten Suedlink-Leitungsverlaufsroute und haben alle sehr unterschiedliche Böden. Von lockerem, sandigen Boden über bindigen Lehmboden bis hin zu kompaktem Felsen ist alles dabei. Auf jedem Feld werden in jeweils zwei Versuchsgräben Rohre mit Stromzufuhr verlegt, während die dritte Grube ohne Rohre verbleibt. In allen Feldern sammeln Sensoren Daten über Erdbewegungen und Wärme, um vergleichbare Ergebnisse liefern zu können.“

Ein Versuchsfeld ist 0,6 Hektar groß. Hier der Forschungsstandort in Großrinderfeld. Fotos: Leonhard Weiss

Leonhard Weiss greift dem Forschungsteam bei der Umsetzung mit seiner Erfahrung und Fachexpertise unter die Arme. Kennzeichnend für dessen realisierte Projekte ist die gewerkeübergreifende Zusammenarbeit in den drei Bereichen Straßen- und Netzbau, Gleisinfrastrukturbau sowie Ingenieur- und Schlüsselfertigbau. Außerdem zeichnet sich der Projektpartner dadurch aus, auch Aufträge zu übernehmen, bei denen die Mitarbeiter Neuland betreten. Christoph Sperk, der die Gesamtleitung für dieses Projekt bei Leonhard Weiss innehält, erklärt: „Wir sehen unsere Arbeit an dem Forschungsprojekt als Möglichkeit, neue Methoden auszuprobieren, Erfahrungen zu sammeln und die richtigen Lösungen zur Bodenbearbeitung zu finden. Für diese Anforderungen haben wir die nötige Auswahl an Geräten und zahlreiche Mitarbeiter, die uns auf den verschiedensten Gebieten mit ihrer Expertise zur Seite stehen.“ Unterstützt wird Sperk im Bereich Elektrotechnik von Franc Zwick, im Bereich Geotechnik und Entsorgung von Erik Schuhmacher und im Bereich Technik von Thomas Denk. Das Bauunternehmen unterstützt die Wissenschaftler bei der Einrichtung der Flächen an allen vier Standorten.

Da die landwirtschaftlichen Flächen auch nach der Verlegung der Testkabel wieder genutzt werden, ist es wichtig, die Bodenstruktur zu erhalten. Dafür muss der Boden in seinen Schichten so exakt abgetragen werden, dass die Bodenstruktur nach dem Einsetzen der Rohre möglichst exakt wiederhergestellt werden kann. Vor Beginn der Bauarbeiten werden die Bodenschichten daher durch Zylinderbohrungen (Stechzylinder) an mehreren Stellen analysiert. So erhält Leonhard Weiss alle Daten über Schichtaufbau, Konsistenz, Struktur und Dichte des Bodens. Erst nach dieser Analyse kommen Kettenbagger zum Einsatz und tragen die einzelnen Schichten, die sogenannten Horizonte, ab. Die Mitarbeiter beginnen auf der Baustelle mit dem Oberboden (A-Horizont) und heben dann die erste und die zweite Unterbodenschicht (B- und C-Horizont) aus. Wichtig ist, dass bei der Abtragung keine Vermischungen der Bodenschichten stattfinden und sie separat gelagert werden, um später beim Befüllen der Gräben einen annähernd identischen Bodenaufbau zu gewährleisten.

Die Rohrsohle wird unterteilt in aufbereiteten Boden und einen speziellen Bettungssand, darauf werden die Heizrohre gelegt.

Ist der Boden abgetragen und ein Graben ausgehoben, wird ein Untergrund geschaffen, auf dem die Rohre platziert werden. Er besteht zum Teil aus dem bestehenden Boden und einem speziellen Bettungssand, der eine hohe Dichte und Wärmeleitfähigkeit hat. Der Sand leitet die Wärme der Rohre an den umgebenden Boden ab. Hierfür teilt Leonhard Weiss den Boden mit einem Separatorlöffel in Sieblinien. Mithilfe der Sieblinien vermeiden die Experten Hohlräume durch große Körner und der Boden lässt sich besser rückverfestigen. Dazu planieren die Mitarbeiter die eingefüllte Mischung mit einem kleineren Bagger und verdichten sie anschließend mittels Rüttelplatte und Verdichtungswalze.

Als nächster Schritt steht der Einbau der Heizrohre an. Durch die Rohre laufen keine Stromkabel, sondern Heizleiter. Sie können im Inneren eine Temperatur von bis zu 70 Grad Celsius erreichen und simulieren so die Wärme einer echten Stromleitung. Die Facharbeiter verschweißen die zwölf Meter langen Stahlmantel-Fernwärmerohre und ziehen sie Stück für Stück in ein Schutzrohr ein. An spezifischen Stellen werden Sensoren angebracht, um die Auswirkungen der Wärme auf die Böden zu überwachen. Die Kabel der Sensoren werden durch Leerrohre bis zu einem Messschrank auf dem Gelände geführt. Dort hat der Doktorand Alexander Schade dann Zugriff auf die Daten.

Als letzten Schritt baut Leonhard Weiss den abgetragenen Boden entsprechend den gelagerten Horizonten in der Baugrube wieder ein. Für die unterschiedliche Rückverfestigung der Schichten hat das Bauunternehmen eine Vielzahl von Geräten im Portfolio. Die Mitarbeiter sind also in der Lage, verschiedene Bagger und Anbaugeräte zu testen, um die gewünschte Dichte auf dem bestmöglichen Weg zu erreichen. Diese Flexibilität kommt Leonhard Weiss insbesondere bei herausfordernden Versuchsfeldern wie dem in Boxberg zugute. Dort befindet sich 50 Zentimeter unter der Erdoberfläche leichter Fels.

Agrar-Ingenieur Karl Wieland, der für TransnetBW das Vorhaben betreut, spricht positiv über die Zusammenarbeit: „Für unsere Felduntersuchung konnten wir in jeder Lage auf Leonhard Weiss zählen und von der vielfältigen Expertise des Teams profitieren. Umgekehrt hat auch Leonhard Weiss von unserer hohen Fachkompetenz bezüglich Wiederherstellung von Kabelgräben in landwirtschaftlichen Nutzflächen und Wärmeableitung in den Boden neue Anregungen erhalten.“ Die Versuchsfelder werden über einen Zeitraum von vier Jahren betrieben und die Daten der Messstellen regelmäßig von Alexander Schade und seinem Team ausgewertet. Christoph Sperk freut sich: „Wir haben dank des Projekts die Chance, unsere Expertise für diese Art von Trassen zu erweitern und Erfahrungen zu sammeln. Die Zusammenarbeit mit TransnetBW läuft super. Wir sind gespannt, welche Ergebnisse die Versuche zutage bringen.“

September/Oktober 2021