Ein Cat Dozer namens Deuce

Etwas Geheimnisvolles rankt sich schon um eine kaum bekannte Cat Maschine. Nein, es ist kein übergroßer Dozer D14 oder ein Wunderbagger auf Luftkissen, weder ein dreiachsiger Radlader noch ein futuristischer Wühler für Arbeiten im luftleeren Raum auf dem Mond. Es ist der Cat Deuce. Noch nie davon gehört? Das ist nicht verwunderlich, denn dabei handelt es sich um eine innovative Konzeptmaschine, die Caterpillar in den 80er-Jahren zunächst auf eigene Initiative entwickelte und von der später 227 Exemplare an die amerikanische Armee geliefert wurden.

Dort sollte Deuce als Ersatz für etliche Cat D5 Dozer dienen, die langsam in die Jahre kamen und ausgemustert wurden. Die Abkürzung stand für „DEployable Universal Combat Earthmover“, was etwas holprig mit „einsetzbarer Universal- Kampf-Erdbeweger“ übersetzt werden könnte. Doch Deuce war weitaus mehr als nur ein aufgewerteter D5-Kettendozer, war eigentlich mit dem kaum noch vergleichbar. Das zeigte allein das frappierende Tempo, mit dem die Maschine losbrausen konnte: Welche Erdbaumaschine kann schon mit 54 Kilometer pro Stunde mithalten? Und anders als ein herkömmlicher Kettendozer bewegte sich Deuce nicht auf Ketten mit Bodenplatten aus Stahl, sondern auf sehr robusten, speziell profilierten Gummiraupen mit internen Stahlbändern zur Verstärkung. Anders als üblich war auch die Laufwerkfederung, die harte Stöße durch Bodenunebenheiten wirksam abfing und so bei schneller Fahrt sowohl Maschine als auch Fahrer schonte. Mit derartigen Laufwerken sammelte Caterpillar damals gerade reichhaltige Erfahrungen, galt das Unternehmen zu jener Zeit doch als Pionier dieser Technologie. Was bei Minibaggern, kleinen Raupendumpern und anderen kompakten Maschinen tausendfach bekannt und bewährt war, wendeten Ingenieure von Caterpillar in den 80er-Jahren erstmals auch für größere Maschinen an. Auf diese Weise entstanden völlig neuartige Traktoren, die bis heute die technische Entwicklung rund um den Globus geprägt haben.

Vom „Mobil-Trac” zur zündenden Idee

Cat D38 Mobil-Trac
Ab 1982 entwickelten Ingenieure von Caterpillar das neuartige „Mobiltrac“-System, hier ein erstmals mit Gummiraupen ausgestatteter, schnellfahrender Acht-Tonnen-Prototyp auf Basis eines Kettendozers D3B.

Schon ab 1982 unterzog Caterpillar modifizierte Kettendozer, die anstelle der herkömmlichen Stahlketten über spezielle Gummiraupen verfügten, ausgiebigen Testreihen. Die ersten Prototypen basierten auf dem Cat Kettendozer D6D, doch schon bald gesellten sich aufgrund der Erfolge weitere wie der D3B und D4E zum Testprogramm. Besonders arbeitsintensiv war die Entwicklung ausreichend robuster, verschleiß- und schnittfester Gummiraupen. Nach fünf Jahren und Tausenden von Teststunden konnte 1987 als Resultat dieser Bemühungen ein neuer Traktor präsentiert werden, der Challenger 65. Er hatte als weltweit erste Serienmaschine das völlig neue „Mobil-trac“-System von Caterpillar. Das Gummilaufband von „Mobil-trac“ konnte stärksten Beanspruchungen standhalten, wurde es doch innen mit endlosen Stahlseilen verstärkt, die in das Gummi eingegossen waren. Die „Gummilaufbänder“, wie die „Mobiltrac“- Raupen damals bezeichnet wurden, waren für stärkste Beanspruchungen konzipiert. Die auf der Innenseite befindlichen Führungsbl.cke übertrugen keinerlei Zugkräfte. Für die griffige Verzahnung mit dem Untergrund und eine ausreichende Zugkraftübertragung sorgten Stollen, die 64 Millimeter hoch und im 30-Grad- Winkel angeordnet waren. Der 191 kW (270 PS) starke und 13,5 Tonnen schwere Challenger 65 gilt als der Urahn einer gänzlich neuen Traktorbauweise auf Gummiraupen, wie sie heute von zahlreichen führenden Traktorherstellern weltweit angeboten werden. Die Vorteile des Laufwerks konnten sich in der Tat sehen lassen: Der Bodendruck lag dank der großen Gummiraupen-Auflagefläche von 3,35 Quadratmetern bei nur 40 Kilo auf den Quadratzentimeter. Das war weniger als die Hälfte als bei Radtraktoren mit Zwillingsbereifung. Hier sei angemerkt, das ungewollte Bodenverdichtung überall ein immens wichtiges Thema bei der Feldbewirtschaftung ist.

Cat Challenger 65
Die erste Serienmaschine, die vom „Mobiltrac“-System profitierte, war 1987 der Cat Challenger 65, Urahn aller größeren Traktoren mit Gummiraupen und damit ein Vorreiter einer ganzen Traktorgattung.

Merklich besser als bei Radtraktoren war auch die Verzahnung mit dem Untergrund. Durch die lange Auflagefläche der beiden Gummiraupen erzeugte der Challenger 65 erheblich größere Vortriebskräfte, und dies auf nahezu jedem Untergrund – also perfekt geeignet für die Feldarbeit. Anders als bei den Gummiketten von Minibaggern waren die „Mobil-trac“ für die Übertragung hoher Zugkräfte konzipiert, ob beim Dauerpflügen oder Ziehen schwerer Ausrüstungen. Dies aber lieferte die Idee für eine andere Verwendung von „Mobil-trac“: Könnte man die Vorzüge der Gummiraupen nicht auch bei Baumaschinen nutzen beispielsweise bei Kettendozern? Die bewegten sich bis dahin ausnahmslos, abgesehen von ein paar Kompaktdozern in Japan, auf Stahlketten mit entsprechenden Nachteilen: Sie sind langsam und zerstören festen Untergrund wie Straßen, Betriebshöfe, Verbundpflaster oder bereits verdichtete Flächen. Diese Nachteile würden durch schnellfahrende Gummiraupendozer der Vergangenheit angehören, sogar Straßen könnten problemlos befahren werden. Weitere Vorteile zeichneten sich ab: Beim Durchfahren von lockerem Sand, tiefem Schlamm und Matsch bildeten die Gummiketten gegenüber Stahlketten ein geschlossenes Band. Abrasiver Schmutz, kleine Partikel und Steinchen konnten nicht wie bei Stahlketten zwischen die Kettenglieder gelangen und bauten sich nicht so rasch zwischen Raupeninnenseite und Laufrollen auf. Angesichts all dieser Vorzüge müsste sich doch ein neues Dozerkonzept entwickeln lassen, grübelten die Ingenieure.

Der Vorläufer 30/30 ES T

Cat 30/30 EST
Direkter Vorläufer des Deuce war 1989 der Prototyp 30/30 EST von Caterpillar mit voll gefedertem Laufwerk, Gummiraupen und Automatikgetriebe für bis zu beachtlichen 54 Kilometer pro Stunde Geschwindigkeit.

So konnte 1989 ein innovativer, völlig neuartiger Dozer vorgeführt werden. Im nüchternen Fachjargon teilte das Unter- nehmen damals mit: „Neues Cat Gerät kombiniert Geschwindigkeit mit Beweglichkeit: Caterpillar gibt die Entwicklung eines revolutionären neuen Gleiskettenfahrzeugs bekannt, das Fahrgeschwindigkeiten von mehr als 50 Kilometer pro Stunde erreicht.“ Der 15,5 Tonnen schwere 30/30 EST, wie die Typenbezeichnung lautete, besaß eine Frontkabine für gute Fahrersicht, einen 179 kW (243 PS) starken Cat Motor 3208 und ein Automatikgetriebe für beachtliche 54 Kilometer pro Stunde Höchsttempo. Lenk- und Bedienungselemente wie in einem Lkw, auch ein Lenkrad statt Steuerhebeln für jede Raupenseite, erleichterten das Fahren und erforderten keine Spezialausbildung. Die Abkürzung EST stand für „Engineering Support Tractor“ und zeigte, dass die Maschine vorwiegend für militärische Zwecke konzipiert war. Das Laufwerk des 30/30 EST war voll gefedert, der Planierschild bei schneller Fahrt in angehobener Stellung blockiert. Während des Planierens wurde hingegen die Laufwerkfederung automatisch blockiert und das Getriebe auf die Funktion eines Lastschaltgetriebes mit drei Vorwärts- und zwei Rückwärtsgängen umgeschaltet. Der 30/30 EST konnte jederzeit Straßen befahren und sich außerordentlich schnell durch Gelände aller Art bewegen. Zu den weiteren technischen Raffinessen des pfiffigen Dozers gehörten die Watfähigkeit in Wassertiefen bis zu 1,2 Meter, geringe Lärmentwicklung und die Fähigkeit, in Transportflugzeugen des Typs Lockheed C-130 Hercules transportiert werden zu können. Entwickelt wurde der 30/30 EST im Defense Products Department von Caterpillar in Peoria. Da die Truppenerprobung beim US-Marine-Corps sehr erfolgreich verlief, wurde aufgrund der gewonnenen Erfahrungen beschlossen, auf Basis des 30/30 EST ein serientaugliches Nachfolgemodell zu konstruieren.

Deuce rollt aus den Startlöchern

Deuce von Caterpillar
Meist tarnte er sich, und so richtig bekannt wurde er auch nicht: Der Deuce von Caterpillar dürfte eine der ungewöhnlichsten Baumaschinen der Welt sein

Nachdem Caterpillar die Entwicklung des 30/30 EST auf eigene Imitative durchgeführt hatte, begann die U.S. Army Engineering School (USAES) in Fort Leonard Wood im Bundesstaat Missouri 1992 mit dem Konzept für einen im Flugzeug transportierbaren, per Fallschirm abzuwerfenden, hochmobilen Dozer für Pioniereinheiten. Die Maschine sollte schnell genug sein, um ihre Einsatzorte autark, also ohne Tieflader, ansteuern zu können. All diese und viele weitere Parameter flossen in die Weiterentwicklung des 30/30 EST-Nachfolgers ein, sodass Caterpillar Defense & Federal Products aus Mossville, Illinois, die ersten zwei Deuce-Prototypen 1999 ausliefern konnte. Eine Gruppe Soldaten wurde von der Ingenieur-Schule der amerikanischen Armee und Cat Mitarbeitern ausgebildet, sowohl als Fahrer als auch Servicetechniker für Deuce-Maschinen. Im Rahmen dieser Ausbildung wurden die ersten beiden Deuce umfangreichen Tests unterzogen. Sie ernteten viel Lob, besonders für ihre Leistungen und Mobilität. Vorgeschlagen wurde sogar, den Schild zu verbreitern – aber gerade das war nicht möglich, um die Transportfähigkeit in Flugzeugen wie der C-130, C-141 oder auch C-5 nicht zu behindern. Denn die Maschine war so konzipiert, dass sie in weniger als zehn Minuten für den Lufttransport bereit war. Gerade mal 20 Minuten waren für die Vorbereitungen zum Abwurf mit dem Fallschirm nötig, und auf dem Boden gut gelandet, war Deuce dann nach rund 25 Minuten einsatzfertig. Mit 16,1 Tonnen Einsatzgewicht war dieser eher ein leichter Dozer, denn was in erster Linie zählte, waren ja Tempo und Mobilität. Und so erreichte der rasante Dozer immerhin 53 Kilometer pro Stunde und konnte dank seines Cat Motors 3126 HEUI (Hydraulic Electronic Unit Injection) mit elektronischer Einspritzung äußerst schnell beschleunigen. Der Motor lief in zwei verschiedenen Leistungsmodi mit 197 kW (265 PS) im Fahrbetrieb und mit 138 kW (185 PS) im Erdbewegungsbetrieb. Wie beim 30/30 EST wurde die Laufwerksfederung im Erdbewegungsmodus automatisch blockiert. Die 5,9 Meter lange und 2,9 Meter breite Maschine war mit einem innen angelenkten PAT-Schild für hohe Räumgeschwindigkeiten ausgestattet. Ein PAT-Schild zeichnet sich vorrangig durch seine Vielseitigkeit aus, sowohl für unterschiedlichste Arbeiten bei der Baufeldvorbereitung und für allgemeine Planierarbeiten als auch für schwere Schubeinsätze. Der Schild war mehrfach verstellbar, um den verschiedensten Aufgabenstellen gerecht werden zu können. Rückseitig waren am Schild vier manuell umklappbare Aufreißzähne angeordnet, mit denen Deuce den Untergrund auflockern konnte. Das Heben und Senken der Zähne erfolgte durch die Schildbewegungen. Aufgerissen wurde im Rückw.rtsgang, sodass der Fahrer gute Sicht auf das Arbeitsresultat hatte. Am Heck befand sich eine hydraulische Seilwinde, damit sich die Maschine mit Haken und Umlenkrolle selbst aus Sumpf, Schlamm, Schnee und anderen „festgefahrenen“ Situationen befreien oder aber für diverse Pionierarbeiten dienen konnte.

Zunächst sollten 185 Exemplare produziert werden, später wurden es aber insgesamt 227 Stück. Fünfzehn Deuce wurden an das Pionierkorps der Royal Engineers nach Großbritannien geliefert. Warum aber wurde das Maschinenkonzept nicht für das zivile Bauwesen übernommen, warum gelangten keinerlei Deuce auf unsere Baustellen? Die Antwort liefern die grundsätzlich unterschiedlichen Anforderungsprofile: Deuce war für leichtere Einsätze wie Straßen-, Bahn- und Flugfeldreparaturen vorgesehen, für Lufttransporte und weite Straßenfahrten. Dagegen werden Kettendozer in der Baubranche und Gewinnungsindustrie völlig anders eingesetzt, als Maschinen, die im Dauereinsatz Höchstleistungen erbringen sollen.

Juli/August 2017