Digital an Baumaschinen schrauben

Großes Potenzial verspricht sich die Industrie von virtuellen Datenbrillen, die 360-Grad-Perspektiven und Ansichten in 3D simulieren. Inzwischen haben neben der Entertainment-Branche auch andere diese Technologie entdeckt: Ärzte üben virtuell komplexe Operationen. Die Automobilbranche entwickelt neue Modelle, deren Features Kunden sofort virtuell erleben können. Bauprojekt und Immobilien lassen sich virtuell begehen. Nicht nur Technologiekonzerne wie Facebook, Google oder Apple hoffen auf den großen Durchbruch, sondern auch die Baumaschinenindustrie. Im Zuge von Wartungsarbeiten oder Reparaturen sollen Servicetechniker Anleitungen direkt über ihre Datenbrille erhalten und müssen nur noch die Instruktionen Schritt für Schritt befolgen. Das bleibt nicht ohne Folgen für den Service bei der Wartung und Instandhaltung, die sich im Zuge der Digitalisierung stark verändern werden.

Virtual-Reality (virtuelle Realität oder kurz „VR“) ist ein neues Medium, bei dem der Betrachter mit einem Smartphone auf der Nase in eine künstliche Umgebung versetzt wird, Teil des gezeigten Inhalts wird und sich darin in Echtzeit frei bewegen kann, indem er durch Kopfdrehen selbst den Bildausschnitt bestimmt. In erweiterter Form lassen sich über Augmented Reality (AR) virtuelle Bilder in die reale Welt auf einem Smartphone einblenden. Während VR-Brillen den Träger vollständig in eine Simulation versetzen, werden bei AR-Brillen im Display zusätzliche Informationen eingeblendet – der Träger nimmt quasi zwei Perspektiven gleichzeitig ein. Wird eine Konstruktion betrachtet, zeigt die Brille zum Beispiel an, wo die nächsten Montageteile angefügt werden müssen.

In Zukunft – so eine Vision der Baumaschinenbranche – sollen auch Monteure entsprechende Brillen tragen, wenn sie an Baumaschinen schrauben und darüber an Smartphones oder Tablets in Form von AR-Applikationen unterstützt werden. Foto: Deutsches Baublatt

Fast jeder fünfte Deutsche ab 14 Jahren hat schon eine Virtual-Reality-Brille benutzt und damit virtuelle Welten erlebt. Das entspricht 13,3 Millionen Bundesbürgern, von denen sechs Prozent eine eigene VR-Brille besitzen. 13 Prozent haben schon einmal die Technik ausprobiert, indem sie in die computergenerierten Umgebungen von Spielen eingetaucht sind, Filme angeschaut haben oder mit einer Virtual-Reality- Brille „verreist“ sind. Knapp zwei Drittel der Deutschen haben bereits von VR-Brillen gelesen oder gehört. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage im Auftrag von Bitkom. „Virtual Reality hat großes Potenzial und in der Industrie schon einige Arbeitsabläufe nachhaltig optimiert“, so Bitkom-Geschäftsführer Niklas Veltkamp. „Fast jeder Bereich lässt sich mit VR-Technologie sinnvoll erweitern. VR-Brillen machen nicht nur die virtuellen Welten von Spielen und Filmen für den Verbraucher intensiver erlebbar, sondern lassen sich auch für professionelle Zwecke nutzen. Die Möglichkeiten der VR-Technologie sind noch lange nicht ausgeschöpft. Je größer das Interesse beim Verbraucher ist, umso mehr Raum bietet sich den Produzenten und Entwicklern für die inhaltliche Bandbreite der Anwendungen. Es wird dann zum Beispiel attraktiver werden, Virtual-Reality-Inhalte für Bildungs- und Lernprojekte oder im beruflichen Umfeld einzusetzen.“

Laut der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Deloitte werden bis Ende dieses Jahres weltweit 800 Millionen Premium- Smartphones im Umlauf sein, die mit entsprechenden Betriebssystemen und Prozessoren selbst anspruchsvolle AR-Anwendungen unterstützen. Konsumenten werden dann auf zehntausende Augmented-Reality-Apps zugreifen können. Doch nicht nur die Zahl ARoptimierter Smartphones wird steigen, auch die Inhalte werden zunehmend fotorealistisch. „2018 können Nutzer dank AR unter anderem Einkäufe vor dem Kauf virtuell austesten, beispielsweise ihre echte Wohnung mit digitalen Möbeln einrichtenSo entsteht eine ganz neue User Experience. Wichtigstes Zugpferd bleibt jedoch vorerst der Games-Markt“, erklärt Dr. Andreas Gentner, Partner und Leiter TMT EMEA bei Deloitte.

Bei der Entwicklung neuer Modellreihen setzt Caterpillar längst solche virtuellen Datenbrillen ein, um Anwender aus der Praxis nach ihrem Urteil zu fragen – bereits 2014 sollte eine Kundengruppe zukünftige Konzepte eines Fahrerhauses von einem Motorgrader bewerten. Schon damals hatte Caterpillar die Vorteile virtueller Realität erkannt, die Unternehmensangaben zu Folge darin liegen, „dass die Kunden die Konzepte nebeneinander sehen und sofort die wichtigsten Funktionen vergleichen können. Der Fahrer wusste sofort, wie die reale Kabinenumgebung aussieht.“ Bei der Konstruktion neuer Baumaschinen lassen sich so virtuelle Prototypen testen und Kunden können bereits eine Baumaschine im Detail kennenlernen, ohne dass dafür auch nur eine Schraube montiert und somit im Vorfeld ein physischer Prototyp hergestellt werden muss – damit gibt es neue Möglichkeiten in der Entwicklung, die zudem massiv Kosten in der Konstruktion sparen. Auch im Vertrieb von Baumaschinen ist der Einsatz von modernen Technologien aus dem Bereich Virtual oder Augmented Reality denkbar, indem diese zusätzlich den Verkaufsprozess unterstützen können, wenn dabei realistische Baumaschineneinsätze simuliert werden, um einen genauen Eindruck von den Maschinen zu gewinnen.

Einen Vorgeschmack, was beim technischen Support möglich ist, vermittelte Zeppelin auf der letzten bauma. Foto: Michael Bamberger/Zeppelin

In Zukunft – so eine Vision der Baumaschinenbranche – sollen auch Monteure entsprechende Brillen tragen, wenn sie an Baumaschinen schrauben und darüber, an Smartphones oder Tablets in Form von AR-Applikationen unterstützt werden. Auf diese Weise lassen sich zusätzliche Maschinendaten ins Sichtfeld einspielen, um die Wartung möglichst effizient anzupacken. Über das Display werden Arbeitsanweisungen oder Checklisten eingeblendet, die sie dann Schritt für Schritt abzuarbeiten haben, um einen Bagger, Radlader oder Dozer wieder flott zu machen. Wartungshandbücher werden sich dann erübrigen. Mithilfe von Augmented Reality gelingt es, Daten von Maschinen direkt zu visualisieren. Das können aktuelle Informationen über die Maschine, aber auch Anleitungen zur Reparatur sein – angefangen beim Drehmoment, wie stark die Schraube wieder angezogen werden muss, bis hin zur Darstellung des digitalen Wartungsplans. Kommen bei der Wartung Fragen zur Konstruktion auf, kann der Techniker auch vorhandene Konstruktionsdaten abfragen. Dank der eingeblendeten Informationen über das Gerät und der Reparaturanleitung für eine Maschine können Techniker mögliche Probleme schneller beheben, wenn sie auf einen umfassenden Bestand von Tipps und Lösungsansätzen zugreifen. Noch weitergedacht, können fehlende oder benötigte Ersatzteile direkt über die Brille bestellt werden oder die Monteure können direkt mit weiteren Personen in Echtzeit in Kontakt treten. Unter Anleitung über ein Headset leisten diese via Ferndiagnose Hilfestellung beim Lösen des Problems. Das wird sich nicht nur auf die Zusammenarbeit in Teams auswirken, sondern wie Lösungen entwickelt werden. So können Spezialisten hinzugezogen werden, die nicht mehr selbst vor Ort sein müssen, was auch bedeutet, dass keine extra Anfahrtskosten anfallen. Auch Auszubildende oder Mitarbeiter, die noch kaum Erfahrung haben, können so an Wartungsarbeiten herangeführt werden.

Einen Vorgeschmack, was beim technischen Support möglich ist, vermittelte Zeppelin auf der letzten bauma. Dort gab es nicht nur 360-Grad-Videos und Virtual- Reality, sondern eine Echtzeit-Übertragung von Videodaten. So wurden im Zuge der Ausbildungsinitiative „Think Big“ in der Messehalle B0 von einem Auszubildenden Wartungsarbeiten an einem Cat Radlader vorgenommen. Er trug dazu ein Headset, das eine Frontkamera plus Head-Up-Display beinhaltete. Die Frontkamera des Headsets übertrug das Videosignal der Frontkamera auf das Head-Up Display des Servicemitarbeiters an der Maschine – gleichzeitig wurden das Signal und der Bildausschnitt einem Instruktor in die Messehalle B6 übermittelt, sodass dieser am anderen Standort vor Augen hatte, was der Nachwuchs-Servicetechniker sah und tat. Damit sollte den Messebesuchern klargemacht werden: Support ist überall möglich, egal an welchem Ort eine Maschine gewartet werden muss. So konnte der Instruktor dem Auszubildenden quasi über die Schulter schauen und ihn unterstützen, indem er ihn Schritt für Schritt anleitete, was zu tun war. Und dieser wiederum hatte die Hände frei, um die Arbeiten ausführen zu können.

Damit Mechatroniker in Zukunft die Vorteile von Augmented Reality intensiv nutzen können, haben sich Caterpillar und Scope AR zusammengetan. Sie wollen eine Augmented-Reality-basierte Video-Plattform für den Live-Support von Baumaschinen auf die Beine stellen, ausgerichtet auf die Bedürfnisse der Baubranche und der Gewinnungsindustrie. „Es geht darum, eine vollkommen neue, interaktive Schnittstelle bereitzustellen, damit Servicetechniker effektiver und effizienter mit anderen Fachleuten von jedem Standort aus in Echtzeit kommunizieren können“, so Scott Montgomerie, CEO und Mitgründer von Scope AR. Die neue Plattform soll erweiterte Funktionen bieten und Augmented Reality mit Live-Streaming-Video, Stimme, Anmerkungen in Echtzeit, gemeinsames Arbeiten am Bildschirm und White Board verbinden.

Die Art und Weise, wie Geräte gewartet, instand gehalten und repariert werden, wird sich durch Augmented Reality grundlegend ändern. So sollen gemäß erster Praxisanwendungen Reparaturen deutlich schneller durchgeführt werden können. In der Vergangenheit war die Wartung von Baumaschinen nicht selten ein körperlicher Kraftakt, der unter widrigen Witterungsbedingungen und staubiger Arbeitsumgebung erfolgte. Doch schon in den 80er-Jahren war der Service auf Software und Elektronik ausgerichtet. Baumaschinenhersteller wie Caterpillar setzten mehr und mehr auf Elektronik und Bordsteuerungen. Dies führte zu einem elektronischen Service-Tool, das zur Wartung der Geräte auf der Baustelle genutzt werden konnte. Mit der Digitalisierung entwickelt sich der Service wieder weiter, da er auf Telematikdaten zugreift, indem Diagnosecodes auf Abweichungen und Fehler analysiert werden. Die nächste Stufe strebt Caterpillar mit dem „Internet der Dinge“ und der erweiterten virtuellen Realität an. Ihnen werden in Zukunft bei der Wartung ein großer Stellenwert eingeräumt. Denn sie bietet Kunden neue Möglichkeiten im Service. Um zukünftig Wartungskosten zu senken, gewinnt die Technologie an Bedeutung. Augmented-Reality-Anwendungen versprechen effiziente Wartung bei gleichzeitig geringerer Fehlerquote. Die Technologie wird auch für Schulungen und Trainings interessant, etwa um die Einarbeitung eines neuen Kollegen zu unterstützen. Er lernt so die ersten Grundlagen der technischen Daten einer Baumaschine kennen und kann an ihr arbeiten, ohne sie vorher live gesehen zu haben.

Januar/Februar 2018