Caterpillar-Chef Doug Oberhelman über die Digitalisierung von Baumaschinen

Rund um den Globus wird an neuen digitalen Strategien gefeilt – auch bei Caterpillar. Was von dem weltweit größten Baumaschinen- und Motorenhersteller auf der bauma und in Zukunft zu erwarten ist, erklärte der Vorstandsvorsitzende Doug Oberhelman. Mit Peter Gerstmann und Michael Heidemann, dem Vorsitzenden und Stellvertretenden Vorsitzenden der Geschäftsführung des Zeppelin Konzerns, sprach er über Innovationen, die Kunden von Caterpillar erwarten dürfen. Im Kern geht es darum, den Wert für Baumaschinen zu erhöhen und sie noch produktiver zu machen.

Peter Gerstmann: Wie wird sich die digitale Revolution in Zukunft auf die Entwicklung von Baumaschinen auswirken, und wie reagiert Caterpillar auf die Industrie 4.0 als Teil des Internets der Dinge?

Doug Oberhelman:

Schon immer war Caterpillar für seine Kompetenz bekannt, starke, langlebige Maschinen und Antriebe zu bauen. Nun haben wir viele neue Lösungen, die „in und an“ unseren Maschinen ansetzen. Seit vielen Jahren bieten wir bereits Telematiksysteme zur Erfassung betriebswirtschaftlich relevanter Daten an, die wir analysieren, um für unsere Kunden verwertbare Informationen bereitzustellen. Jetzt forcieren und stärken wir diese Kompetenz „an“ den Maschinen für Dinge, die noch vor wenigen Jahren völlig undenkbar waren. Wir können heute nicht nur viel größere Datenmengen erfassen, wenn Maschinen in Betrieb sind, sondern die Daten im Verhältnis zur Betriebsumgebung und zur Maschinenleistung analysieren und damit fürs Erste schon einmal wertvolle Informationen über die Kraftstoffeffizienz, Produktivität und Wartung geben. Die rasche, präzise Analyse von Big Data bedeutet für Caterpillar, seinen Vertriebs- und Servicepartnern wie Zeppelin und unseren Kunden einen schnelleren und sichereren Betrieb mit weniger Stillstandzeiten. Und genau das ist unser Ziel – den Wert für unsere Kunden zu erhöhen, ihnen zu mehr Effizienz und Produktivität zu verhelfen.

Michael Heidemann: Welche Messe-Neuheiten, die Caterpillar zur bauma vorstellt, werden den größten Technologieschub mit sich bringen?

Doug Oberhelman: Zusammen mit Zeppelin wird Caterpillar auf der bauma 2016 eine Reihe von brandaktuellen Maschinen, Technologien und Servicelösungen zeigen. Auf einer Ausstellungsfläche von rund 12 000 Quadratmetern werden wir Lösungen für Sicherheit, Produktivität und Maschinenmanagement sowie rund 60 Cat Produkte, eine große Auswahl an Arbeitsgeräten und umfassende Serviceleistungen vorstellen, die alle darauf ausgelegt sind, unsere Kunden erfolgreicher werden zu lassen. Beispielsweise werden wir Grade mit Assist am Beispiel unseres neuen Cat Hydraulikbaggers 323F vorstellen. Dabei handelt es sich um eine Fahrerassistenzfunktion mit halbautonomer Planumskontrolle, durch die das Anlegen eines Planums automatisiert wird und damit die Baggerfahrer noch effizienter arbeiten können. Unabhängig von der Erfahrung des Bedieners kann die Produktivität um 45 Prozent erhöht werden. Unter dem Motto „Cat Connect Services“ werden wir spezielle Technologien vorstellen, mit denen die Produktivität und Sicherheit auf der Baustelle deutlich steigt und gleichzeitig die Kosten minimiert werden können.

Peter Gerstmann: Doug, macht es die Industrie 4.0 erforderlich, dass ein Weltkonzern wie Caterpillar mit seiner langen Tradition sich selbst neu erfindet?

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Doug Oberhelman: Peter, wir erfinden uns ständig neu – deshalb hält sich Caterpillar seit mehr als 90 Jahren als führendes Unternehmen unserer Branche. Wir bieten seit vielen Jahren fortschrittliche Technologielösungen und heute intensivieren und verbessern wir unsere Anstrengungen noch einmal. Dies geschieht sowohl mit internen Expertenteams als auch in Partnerschaften mit externen Technologieunternehmen und Start-ups. Die durch moderne Technologien beeinflussten Veränderungen vollziehen sich heute immer unter höherem Tempo, und zwar wesentlich schneller, als noch vor einigen Jahren. Für uns und unsere Branche ist das eine spannende Zeit: Wir entwickeln immer neue, innovative Lösungen, die unseren Kunden zu größerer Produktivität verhelfen.

Michael Heidemann: Welche Rolle werden in der Zukunft Daten beim Einsatz von Baumaschinen spielen?

Doug Oberhelman: Caterpillar hat die meisten Baumaschinen weltweit im Einsatz und wir konzentrieren uns sowohl auf diese operative Basis als auch darauf, alle Geräte auf der Baustelle eines Kunden zu vernetzen. Durch unsere Präsenz vor Ort, unser einzigartiges Händlernetz und unsere lange Erfahrung als Branchenführer befinden wir uns in einer guten Position, um neue, wegweisende Lösungen einzusetzen, die durch die digitale Technik erst möglich werden. So haben wir kürzlich in der Praxis moderne Technologien getestet. Nebeneinander wurden zwei jeweils 120 Meter lange Straßen gebaut. Die erste wurde mit traditionellen Verfahren gebaut. Für den Bau der zweiten Straße wurden Cat Connect Technologien eingesetzt, darunter Telematik, Maschinensteuerung, Payload und intelligente Verdichtungstechnik. Es stellte sich heraus, dass durch unsere Technik 31 Prozent der Arbeitsstunden, 34 Prozent der Geräteeinsatzzeit, 46 Prozent der Projektstunden und 37 Prozent des Treibstoffs eingespart werden konnten. Das ist nur ein Beispiel dafür, wie wir die Leistungsfähigkeit unserer Maschinen und damit die Wettbewerbsfähigkeit unserer Kunden erhöhen und ihnen damit zu größerer Effizienz und Rentabilität verhelfen können. Ich empfehle unseren deutschen Kunden, sich dazu das Video auf YouTube anzusehen. Es ist wirklich beeindruckend, was durch moderne Technologie heute alles möglich ist:

Peter Gerstmann: Wie wird die Digitalisierung den Markt für Baumaschinen verändern?

Doug Oberhelman: Im Gegensatz zu anderen Branchen, wie der Landwirtschaft, konnte die Produktivität in der Bauindustrie in den letzten Jahren nicht gesteigert werden. Leider wurden in der Bauwirtschaft die Technologien, welche die Produktivität und die Rentabilität erhöhen, noch nicht ausreichend genutzt. Mit der zunehmenden Verbreitung der Digitalisierung – weltweit sind bereits rund 400 000 unserer Maschinen vernetzt – wird auf dem Markt eine große Nachfrage nach Methoden für die Steigerung von Produktivität und Effizienz entstehen. Und wir bieten unseren Kunden genau die passenden Lösungen dafür. Die Möglichkeiten sind großartig. Ich kann es gar nicht erwarten, wie sich die Dinge entwickeln werden.

Peter Gerstmann: Wie kann Caterpillar unsere Kunden auf dem digitalen Weg unterstützen?

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Doug Oberhelman: Als Branchenführer werden wir weiterhin Pionierarbeit leisten und Digitaltechnik der Spitzenklasse integrieren, sodass wir unseren Kunden gemeinsam mit unseren weltweit 177 Vertriebs- und Servicepartnern die besten Lösungen anbieten können und dafür sorgen werden, dass sie auch in Zukunft mit Caterpillar mehr Geld verdienen als mit jeder anderen Marke. Die Welt verändert sich schnell und wir uns mit ihr. Durch die Verbindung der Produkt- und Technologiekompetenz von Caterpillar mit der Größe und Erfahrung unseres einzigartigen weltweiten Vertriebsnetzes bieten wir unseren Kunden überall auf der Welt Services und Lösungen und zwar immer dann, wann und wo sie gebraucht werden. Wir werden im Kundendienst auch in Zukunft alles daran setzen, den besten Service zu bieten, denn das entspricht unserer DNA.

Michael Heidemann: Doug, welchen Nutzen werden unsere Kunden von digitalen Baumaschinen haben?

Doug Oberhelman: Heute ist alles vernetzt – Telefone, Autos, sogar Espressomaschinen! Die Dinge sind in einer Weise verbunden, die früher unmöglich erschien – doch jetzt ist das fast normal und wird auch so von unseren Kunden erwartet. Die Bauindustrie wird aus dem Einsatz intelligenter, vernetzter Technik erhebliche Vorteile ziehen. Lass’ mich an einem Beispiel zeigen, was wir bereits heute anbieten: Product Link, ein Teil der Cat Connect-Technologie, ist bei den meisten unserer Maschinen über 20 Tonnen Einsatzgewicht und auch bei einigen kleineren Maschinen Standard und kann entweder werkseitig eingebaut oder durch unsere Vertriebs- und Servicepartner wie Zeppelin nachgerüstet werden. Durch die Daten bekommen unsere Kunden Fakten, auf deren Grundlage sie fundierte Entscheidungen treffen, längere Betriebszeiten erreichen und die Betriebskosten deutlich senken können. Durch die jüngste Standardisierung von Telematik-Daten haben wir nun die Möglichkeit, Daten anderer Hersteller in Vision Link einzubinden, ohne Product Link an dem Fremdgerät installieren zu müssen. Darüber hinaus werden wir im Verlauf des Jahres Updates der Benutzeroberfläche von Vision Link bereitstellen, durch welche die Nutzung mit den aktuellen Smartphones und Tablets schneller und einfacher wird. Durch die Integration von Vision Link mit der Hardware Cat Product Link entsteht ein leistungsstarkes Telematiksystem, das wertvolle Daten von Maschinensensoren und Steuerungssystemen liefert. Das System kann in Cat Maschinen ebenso eingebaut werden wie in die Geräte anderer Hersteller. Somit ist Product Link zu einer Lösung für gemischte Flotten geworden. Die neue Version von Vision Link umfasst ein „responsives Design“, sodass die Bedienung auf einem Smartphone, Tablet, Notebook oder einem PC ähnlich und intuitiv nutzbar ist. Wir haben großen Wert auf die bessere Lesbarkeit und Navigation der Bildschirminhalte gelegt. Während der bauma werden wir eingehender über unsere Updates und die Vision Link Service Plattform berichten.

Michael Heidemann: Das verspricht richtig spannend zu werden. Welche neuen digitalen Geschäftsmodelle kann der Kunde von Caterpillar in Zukunft erwarten?

Doug Oberhelman: Seit Generationen helfen wir den Kunden durch den Einsatz fortschrittlicher Technik bei der Lösung ihrer Aufgaben. Daran wird sich nichts ändern. Doch da die Welt schneller geworden ist, erhöhen wir unsere Geschwindigkeit und die Priorisierung digitaler Angebote zur Unterstützung unserer Kunden. Dabei gehen wir beinahe so vor, als ob wir ein Startup-Unternehmen wären – mit dem richtigen Team und der richtigen Technologie setzen wir neue Ideen um. Für den Anfang konzentrieren wir uns auf die Bereiche: Asset-Management einschließlich Maschinen, Motoren und Lokomotiven, Produktivität, Sicherheit und Nachhaltigkeit. Aufbauend auf den bestehenden Technologie- und Serviceangeboten von Cat Connect nutzen wir die weltweit erhobenen Daten zur Steigerung der Produktivität unserer Kunden. Oder, um es plakativer auszudrücken, verbinden wir Diesel mit Daten und Silizium mit Stahl – wir nehmen also die Cat Maschinen, für die wir allseits bekannt sind, und machen sie intelligenter, damit unsere Kunden ihre Ressourcen effizienter einsetzen und ihre Leistung nachhaltig verbessern können.

Peter Gerstmann: Doug, du bist ein Befürworter von TTIP. Welchen Einfluss wird TTIP auf den Markt für Baumaschinen haben?

Doug Oberhelman: Caterpillar unterstützt seit langem den freien Handel und die technische Harmonisierung, weil sich das für unsere Mitarbeiter, Investoren, Händler und Kunden als die beste Option erwiesen hat. TTIP ist das umfassendste Freihandelsabkommen, das je von der Europäischen Union ausgehandelt wurde, und wird für ein Wachstum bei Handel und Investitionen sorgen, von dem die USA und Europa gleichermaßen profitieren werden. Für unsere Geschäftstätigkeit sehen wir hauptsächlich drei Vorteile: Erstens können aufgrund der gewaltigen Ausmaße der Handelsströme – rund zwei Milliarden Euro pro Tag – selbst geringe Zollsenkungen erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen haben. Zweitens könnte insbesondere im Bereich der Zusammenarbeit bei der Regulierung mehr getan werden, um zukünftige Probleme zu vermeiden. So sollten die EU und die USA unter anderem daran arbeiten, ihre Umweltschutzvorschriften, wie beispielsweise Emissionswerte, abzustimmen oder nach Möglichkeit sogar völlig zu harmonisieren. Auch die Verwendung internationaler Standards in der transatlantischen Beziehung sollten zum Beispiel im Bereich Maschinensicherheit und Maschinenkennzeichnung weiter vorangebracht werden. Insgesamt sollte TTIP durch die Einrichtung eines stabilen Rahmens und der Möglichkeit eines frühzeitigen regelmäßigen Dialogs dazu beitragen, die Zusammenarbeit der europäischen und amerikanischen Regulierungsbehörden zu vereinfachen. Beide Seiten werden ihre Regulierungskompetenz behalten. Aber geben wir den Regulierungsbehörden doch ein Gerüst an die Hand, mit dem sie zuerst versuchen können, sich zu einigen, bevor sie übereinkommen, dass sie sich nicht einig sind. Schließlich sollten die EU und die USA im Umgang mit den oft von Drittstaaten auferlegten Beschränkungen für wiederaufgearbeitete Produkte am gleichen Strang ziehen. Unser Ziel besteht darin, den uneingeschränkten Handel mit wiederaufgearbeiteten Produkten zu fördern, wenn die USA oder die EU mit Drittstaaten verhandeln.

Michael Heidemann: 2015 wurdest Du von der German-American Heritage Foundation zum Deutsch- Amerikaner des Jahres ernannt. Bei der Überreichung dieser Auszeichnung im elitären Presseclub von Washington durfte ich dabei sein. In Deiner Rede bist Du auf Deine deutschen Wurzeln eingegangen. Deine Familie stammt, wie ich, aus Westfalen. Was verbindest Du eigentlich heute mit Deutschland?

Doug Oberhelman: Das war für mich eine einzigartige und wirklich besondere Auszeichnung. Es war sehr schön, dass du teilnehmen konntest und extra dafür nach Washington DC gekommen bist. Dank Zeppelin war es mir auch möglich, die Wurzeln meiner Familie zurückverfolgen zu können, die rund 300 Jahre zurückreichen und die aus der Nähe von Ledde in Westfalen stammt. Ich konnte feststellen, dass bereits meine Vorfahren in Westfalen mit Maschinen, Landwirtschaft und Bergbau zu tun hatten. Somit liegen mir Maschinen und Geräte seit Generationen im Blut und es ist daher nicht überraschend, dass ich bei Caterpillar arbeite. Was für unsere Arbeit bei Caterpillar und für meinen Job ungemein hilfreich ist, ist Zeppelin als Partner zu haben, auf den man zählen kann und der auf großartige Weise unsere Kunden betreut – und das seit über 60 Jahren.

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März/April 2016