Akute Krisenhilfe

Eigentlich wollte Ve-Log mit Sitz in Erlangen mit der Vorbereitung einer großen Bahnbaustelle bei Trier-Ehrang starten – das gab das Unternehmen, das sich auf Tiefbauleistungen im Bereich Bahnbau, Entsorgung von kontaminierten Stoffen sowie auf Transportlogistik spezialisiert hat, auf seiner Facebook-Seite bekannt. Doch daraus wurde erst einmal nichts. Mit Polizeieskorte wurde der eingesetzte Cat Radlader 966M in die Stadt begleitet und sollte bei der Personenrettung unterstützen. So wie das Beispiel Ve-Log exemplarisch zeigt, haben viele Bauunternehmen ihre Hilfe im Katastrophengebiet angeboten, um mit Baumaschinen anzupacken, damit schnelle Hilfe nach der Flut geleistet werden kann. Sie wird benötigt, um Transporte zu gewährleisten, Trümmer zu beseitigen und provisorisch beschädigte Infrastruktur instand zu setzen.

Meterhoch türmten sich Sperrmüll und Elektroschrott, die das Hochwasser zurückgelassen hatte, in den von Wasser und Schlamm zerstörten Ortschaften. Ein großes Problem: der Abtransport der riesigen Abfallmengen. Denn zunächst wurde der Müll unkoordiniert einfach auf Seitenstreifen von Landstraßen oder dem örtlichen Fußballplatz abgelegt. Betroffene sind angesichts der Katastrophe auf Hilfe angewiesen, denn es fehlt an Strom, Trinkwasser und Gas. Häuser sind einsturzgefährdet oder ganz zerstört worden. Bahntrassen sind unterspült und Straßen sind verwüstet. „Die Bilder der letzten Tage zeigen, mit welcher Kraft die Natur unser Leben bestimmen kann“, zeigt sich Michael Gilka, Hauptgeschäftsführer von der Bundesvereinigung Mittelständische Bauunternehmen, betroffen. „Keine 15 Kilometer von unserer Geschäftsstelle entfernt, spielten sich tragische Katastrophen ab, die Leib und Leben gekostet, wie auch in erheblichem Umfang Eigentum und Infrastruktur zerstört haben“, ist er erschüttert über die dramatischen Auswirkungen.

Die Katastrophe berührte viele Bauunternehmen. Sie standen angesichts der Notsituation für akute Krisenhilfe bereit und taten ihr Möglichstes, um in den vom Hochwasser zerstörten Gebieten Straßen und Brücken für Hilfstransporte und Rettungsfahrzeuge wieder nutzbar zu machen. Mit vereinten Kräften wurde versucht, Schutzräume zu schaffen für die Menschen, deren Häuser und Wohnungen unbewohnbar geworden sind, so Reinhard Quast, Präsident beim Zentralverband Deutsches Baugewerbe.

Mitgliedsfirmen des Deutschen Abbruchverbandes halfen beim Aufräumen mit, damit die Berge an Sperrmüll aufgeladen und abtransportiert werden konnten. Foto: Deutscher Abbruchverband

Körperlich, aber auch psychisch sind die Eindrücke vor Ort vielfach stark belastend. Neben der großen Spendenbereitschaft war aber auch und gerade dieser Einsatz mit schweren Maschinen und Geräten durch Fachleute vor Ort eine dringend erforderliche und schnell wirksame unmittelbare Hilfestellung für die betroffenen Menschen und die verwüsteten Regionen. So schilderten die Mitgliedsfirmen beim Deutschen Abbruchverband ihre Tätigkeiten in den Regionen, überwiegend im Ahrtal, aber auch im stark betroffenen Stolberg bei Aachen und im Raum Swisttal. Sie halfen mit beim Beseitigen der Abfallmengen. Die Flüsse Ahr und Inde wurden von Treibgut, Unrat und Bäumen von ihnen befreit, damit das Wasser wieder kontrolliert abfließen konnte. Zudem wurden Häuser und Zufahrtsflächen freigeräumt, um die Wege für Hilfseinsätze wieder befahrbar zu machen. Ebenso wurde der Bahn geholfen, da Haltepunkte komplett verwüstet und Gleise unterspült und etwa Autos auf Gleise geschwemmt wurden. Auch dort wurden die Gleise zurückgebaut und der Untergrund für den Neuaufbau der Gleistrasse ausgetauscht. Alles im Eiltempo, da die Gleise schnellstmöglich wieder in Betrieb genommen werden sollen.

Besonders viel Mut bewies etwa der Tiefbauunternehmer Hubert Schilles aus der Eifel, der sein Leben riskierte, als er mit seinem Bagger den mit Geröll blockierten Abfluss der Steinbachtalsperre freilegte. Der Staudamm drohte angesichts des Drucks durch die angestauten Wassermassen und die Beschädigungen durch Überspülung zu brechen und hätte Ortschaften geflutet. Für seine Zivilcourage lobte ihn NRW-Ministerpräsident Armin Laschet bei einer Vor-Ort-Begehung im Katastrophengebiet. Doch Hubert Schilles bleibt bescheiden: „Jeder andere hätte das auch gemacht“, äußerte er gegenüber der FAZ.

Selbst aus Schleswig-Holstein organisierten sich Unternehmer, um den Betroffenen vor Ort zu helfen. Einen Facebook-Aufruf startete beispielsweise Tino Martens, dem auch Arne Weckwert folgte. Sie kannten sich lediglich über das Telefon. Arne Weckwert selbst bietet landwirtschaftliche Dienstleistungen an und vermietet Baumaschinen. Angesichts der Bilder vom Ausmaß der Katastrophe ist Hilfe für ihn selbstverständlich. „Mein Bagger ist aktuell frei und kann als Unterstützung sicher gut gebraucht werden“, meinte er. Erst brachte er noch die Ernte ein, dann nahm er sich extra Urlaub, um ein paar Tage mit anzupacken – so wie viele andere auch. In WhatsApp-Gruppen wurde organisiert, wer was zur Verfügung stellen kann und mitmachen will. „Innerhalb von zwei Tagen kamen bereits 70 Menschen zusammen, die sonst im Galabau, im Abbruch oder in anderen Gewerken arbeiten. Große Bagger, Radlader, Schaufeln – das alles bringen wir mit und noch vieles mehr“, berichtet Arne Weckwert. Denn vor Ort können sie nicht auf Wasser und Strom zurückgreifen. Sie müssen autark agieren können und sich nicht nur darum kümmern, sondern sich auch mit eigenen Lebensmitteln versorgen können. Die Unterbringung erfolgt in einem Camp. Zehn Stunden ist der Hilfstrupp aus dem Norden unterwegs, bis er das Katastrophengebiet in NRW erreicht hat. Ihre Hilfe wird in Swisttal-Odendorf gebraucht. „Gerade geht es darum, Keller und Vorgärten auszuräumen. Alles ist voller Schlamm. Bei den Temperaturen wird dieser hart wie Stein“, so Arne Weckwert. Er war schon beim Elbehochwasser 2013 in der technischen Einsatzleitung im Kreis Pinneberg bei der Feuerwehr aktiv und kann sich daher vorstellen, was auf ihn zukommt.

Auch Unternehmen des Garten- und Landschaftsbaus machten mobil: So hat Günter Müller von SKM-Garten- und Landschaftsbau die Facebook-Gruppe „GaLaBau-Hochwasser-Hilfe 2021“ initiiert, um Berufskollegen zu koordinieren. Über die Community können Betroffene Hilfe anfragen und quer aus dem ganzen Bundesgebiet haben Betriebe der grünen Branche Unterstützung angeboten.

„Etliche Unternehmer und Mitarbeiter sind vor Ort zudem in ehrenamtlichen Funktionen, beispielsweise bei der Freiwilligen Feuerwehr, dem Technischen Hilfswerk oder dem Deutschen Roten Kreuz, engagiert und leisten dort wichtige Arbeit. Auch für die anstehenden Wiederaufbau- und Renovierungsarbeiten stehen die Betriebe des Baugewerbes mit ihrer starken regionalen Verankerung als verlässlicher Partner bereit, ihren Beitrag zu leisten“, äußert sich Reinhard Quast zur Hochwasserkatastrophe.

Die Schäden der Infrastruktur sind gewaltig: So hat der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) bereits seine vorläufige Schadenschätzung präzisiert. „Wir gehen jetzt von versicherten Schäden zwischen 4,5 Milliarden und 5,5 Milliarden Euro aus“, schätzt der Hauptgeschäftsführer des GDV, Jörg Asmussen. Hierzu zählt er nicht nur die Schäden aus Rheinland-Pfalz und Nordrhein- Westfalen, sondern auch aus den anderen betroffenen Bundesländern, darunter Bayern und Sachsen. „Wir brauchen jetzt eine gemeinsame, schnelle und unkomplizierte Kraftanstrengung, um die Schäden zu beseitigen und insbesondere die Infrastruktur schnell wieder aufzubauen“, betont Michael Gilka. In diesem Zusammenhang hat er insbesondere die vielen Mitgliedsbetriebe aufgerufen, sich zu engagieren, wo Not am Mann ist.

Juli/August 2021