Ende einer Flugzeug-Ära

Sie war eine der ersten Boeing B 707-430, mit denen das Jet-Zeitalter im Luftverkehr in den 60er-Jahren begann. Insgesamt 15 Jahre war das Passagierflugzeug unter dem Namen „Frankfurt“ für die Kranich-Airline unterwegs, bevor sie 1975 außer Dienst gestellt wurde und für die Ausbildung der angehenden Flugzeug-Techniker im Einsatz war. Das letzte Projekt, an dem Auszubildende der Lufthansa Technik beteiligt waren, war die Umlackierung in den Farben von Hamburg Airport. Dorthin wechselte die 46 Meter lange Boeing für den symbolischen Wert von einem Euro 1999 und begann eine neue Karriere: als Museumsflugzeug und Filmkulisse etwa für den Spielfilm „Im Schatten der Macht“ (2003) über die letzten Tage vor dem Rücktritt Willi Brandts. Gleichzeitig diente die B 707-430 als realistisches Übungsobjekt für Rettungs- und Bergungsübungen. Nun ist diese Zeit vorbei. Nachdem mehrere Versuche, das historische Langstreckenflugzeug zu erhalten, gescheitert waren, wird die Maschine mit dem Kennzeichen D-ABOD rückgebaut und verwertet. Besondere Einzelstücke wie Elemente aus dem Cockpit, ausgesuchte Beleuchtungselemente oder Teile der Klappen an den Tragflächen werden über das Auktionshaus Dechow versteigert. So bleibt ein Rest für Aviation-Liebhaber erhalten. „Wenigstens ist es uns mit diesem Konzept gelungen, für Teile des Traditionsflugzeugs mit seiner langen Geschichte eine nachhaltige Lösung gefunden zu haben“, so Dirk Behrens, Leiter Aviation Management am Hamburg Airport.

Für den Rückbau arbeitet Dechow mit der TID Thelen Industrial Demolition GmbH zusammen. TID ist in den Bereichen De- und Montagearbeiten, industrieller Abbruch, Asbestsanierung, Umwelttechnik und Brandschadensanierung tätig und eine Tochter der Thelen-Gruppe, einem Familienunternehmen aus Essen mit 60 Tochterunternehmen und 5 600 Mitarbeitern. Zu deren aktuellen Großprojekten gehört die Entwicklung zweier industrieller Brachflächen von je 52 Hektar Fläche zu urbanen und innovativen Stadtquartieren im Herzen der Metropole Ruhr: Essen 51. und Smart Rhino in Dortmund.

Das Museumsflugzeug zog bei den Airport Days 2007 zahlreiche Besucher an. Foto: Michael Penner, Airport Hamburg

Im Zuge des Rückbaus der Boeing B 707-430 wurde das Düsenflugzeug der Lufthansa von TID zerlegt. Dabei hatte ein Cat Umschlagbagger MH3024 in Verbindung mit einer Kemroc-Diamantsäge KDS 50 seinen großen Auftritt. Sobald die Inneneinrichtung ausgebaut war, konnte die Baumaschine samt Anbauwerkzeug loslegen, den großen Vogel zu zersägen und große Platten herauszuschneiden. Mit vernehmbarem Sirren drang die Säge durch die linke Tragfläche. Kaum war die Außenseite des Flügels abgetrennt, schnitt der Baggerfahrer unmittelbar an der Bordseite des Triebwerks durch das dünne Aluminium. Unter dem Düsenmotor setzte ein Teleskopstapler seine Ladegabel an, damit das Bauteil nach dem Abschneiden nicht zu Boden fiel. Dann ein letzter Biss mit der Schrottschere, das Triebwerk war abgetrennt und wurde, mit Gurten an der Ladegabel des Telehandlers befestigt, fortgefahren. „Eine Stunde lang hat das Triebwerk sich gewehrt“, berichtet später Jens Hamann, Leiter der TID-Niederlassung Hamburg. Diamantsägen der Serie KDS von Kemroc werden für das Schneiden von Beton, Stahlbeton, Gestein und glasfaserverstärktem Kunststoff entwickelt. Hohe Drehzahlen und eine Vielzahl verfügbarer Sägeblätter ergeben ein breites Einsatzspektrum und hohe Effektivität. Mit den Bauteilen aus Aluminium an der Boeing in Hamburg kam die KDS 50 am Cat Umschlagbagger MH3024 daher auch leicht zurecht. „Der sensible Rückbau einer Boeing erfordert Präzisionswerkzeug“, erklärte Jens Hamann seine Entscheidung zur Wahl des Anbauwerkzeugs, „da lag es nahe, die Diamantsäge einzusetzen, die für ihre Präzision bekannt ist.“

Entkernung des Flugzeugs. Fotos (2): Oliver Sorg, Hamburg Airport

Zuletzt verantworteten TID und Dechow ebenfalls den Rückbau von Teilen einer zweiten Boeing 707 mit der Kennung D-ABOC in Berlin-Tegel, die ebenfalls versteigert werden soll. Auch hier ging es darum, möglichst viele Wertstoffe zu erhalten. Dort arbeitete man mit einem Sortiergreifer und einer Schrottschere. Beide Flugzeuge wurden zwar auf unterschiedliche Art und Weise zerlegt, erläutert Jens Hamann, im Ergebnis jedoch innerhalb eines ähnlichen Zeitfensters. „Unsere Auftraggeber haben sich auch hier sehr intensiv mit Möglichkeiten zur Erhaltung des Flugzeugs auseinandergesetzt“, so der Dechow Projektleiter Jens- Peter Franz, „natürlich hätten wir diese Maschine gerne auch komplett versteigert, doch aufgrund enorm hoher Kosten für Demontage, Verbringung und anschließender Restaurierung fand sich hierfür leider kein Interessent.“

Juli/August 2021