Azubi-Ablöse im Abseits

Spanien, England, Frankreich und Italien: Diese Länder liegen vorne, wenn es um die Mega-Transfers im internationalen Fußball geht. Bislangu nangefochten die höchste Ablösesumme wurde für den Brasilianer Neymar fällig, als der Stürmer 2017 für die Rekord-Summe von 222 Millionen Euro vom FC Barcelona zu Paris St. Germain wechselte. Nun lässt ein neuer Vorschlag au fhorchen, den der deutsche Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer ins Spiel brachte: Betriebe müssten – analog zum Fußball – eine Ablösesumme abdrücken, wenn sie Azubis nach ihrer Ausbildung direkt abwerben. Das Argument: Den Nachwuchs auszubilden, kostet Zeit und Geld. Firmen hätten völlig umsonst in angehende Mitarbeiter investiert und ihnen Wissen sowie Fertigkeiten vermittelt, wenn diese dann doch bei der Konkurrenz landen. Der Vorschlag des Handwerkspräsidenten liegt daher nahe.

So wie es im Fußball eine Ablöse gibt, soll auch eine Azubi-Ablöse eingeführt werden.
Foto: Karin Schmidt / pixelio.de

Denn inzwischen stehen Baubetriebe unter immer größerem Druck, an Fachkräfte zu kommen und machen ihren Mitbewerbern die besten Leute abspenstig. Wie man hört, schrecken Bauunternehmen nicht davor zurück, direkt auf den Baustellen der Konkurrenz den Mitarbeitern ein (un-)moralisches Angebot zu unterbreiten und eben gleich den Nachwuchs abzuluchsen, der ohne lange Einarbeitungszeit gleich produktiv loslegen kann.

Wer darüber schimpft und jammert, sollte nach den Gründen fragen, warum Azubis kurz nach ihrem Abschluss das Handtuch werfen und einen andere Arbeitgeber suchen. Es können familiär bedingte Gründe dahinterstecken – etwa die neue Freundin – oder der kürzere Arbeitsweg. Dafür sollte niemand mit einer Zwangsabgabe bestraft werden. Genauso wenig darf man es den Mitarbeitern verübeln, wenn sie die Chance nutzen, woanders mehr entlohnt zu werden oder bessere Aufstiegschancen
zu bekommen.

Den Wechselambitionen hat so manch kleiner Mittelständler nichts entgegenzusetzen. Doch ganz passiv muss er auch nicht in die Röhre schauen. Er kann zwar nicht mit Geld punkten, dafür hat er als Ausbildungsbetrieb drei Jahre Zeit, mit anderen Argumenten zu überzeugen, die der Generation Y beziehungsweise den Millennials mindestens genauso wichtig sind: Sie strebt nicht nur nach guter Bezahlung alleine, sondern hat auch hohe Erwartungen an eine sinnstiftende Arbeit, die sie erfüllt und die wiederum auch Abwechslung bietet. Was im War of Talents, also im Wettbewerb um die Talente, zählt, sind außerdem die Arbeitszeiten und -bedingungen, die Ausstattung, das Betriebsklima sowie die Unternehmenskultur. Betriebe müssen sich was einfallen lassen, um ihre Mitarbeiter zu halten. Sie sollten ein Arsenal an Maßnahmen vorlegen können, um gute Mitarbeiter zum Bleiben zu motivieren. Firmen müssen ihren Nachwuchs als guter und attraktiver Arbeitgeber überzeugen – da braucht es keinen Staat, der regulierend eingreift. Stattdessen müssen sie selbst dafür sorgen, dass die Mitarbeiter gerne für sie arbeiten. Eine Ablösesumme wird nicht das eigentliche Problem lösen, dass Nachwuchs heiß begehrt bleiben wird.

Juli/August 2019