Automatisierung gegen Fachkräftemangel

Polizist, Lehrer oder Arzt: Diese Antwort gaben Jugendliche 2020, als sie nach ihrem Traumjob befragt wurden. Bauberufe stehen bei ihnen nicht hoch im Kurs – ebenfalls abzulesen am Fachkräftemangel. Einen Ausweg bietet die Automatisierung von Abläufen und Prozessen auf der Baustelle. Roboter sollen zunehmend Aufgaben übernehmen und Mitarbeiter ersetzen.

Damit bieten sich für ABB Robotics neue Marktchancen – das Unternehmen aus der Schweiz entwickelt bereits Roboter für die Automobilindustrie und bedient Segmente wie Elektronik, das Gesundheitswesen, die Konsumgüterbranche, Logistik sowie die Nahrungsmittel- und Getränkeindustrie. Inzwischen hat ABB Robotics auch die Baubranche auf dem Schirm. Denn in der EU waren allein im zweiten Quartal 2020 über 200 000 Stellen für gering- und hochqualifizierte Arbeitskräfte in der Baubranche unbesetzt. In einer weltweiten Umfrage, die ABB Robotics unter 1 900 Bauunternehmen in Europa, den USA und China in Auftrag gab, erklärten 44 Prozent von ihnen, Schwierigkeiten zu haben, neue Mitarbeiter für Bauberufe zu finden. 81 Prozent der Befragten wollten in den kommenden zehn Jahren darum Roboter einführen.

„Aktuell nutzen nur wenige Bauunternehmen Automatisierungslösungen. Vor diesem Hintergrund bietet sich uns ein enormes Potenzial, die Branche durch den Einsatz von Robotik grundlegend zu verändern. Anders als im Automobilbau oder in der Elektronikmontage haben sich im Bauwesen viele Verfahren seit Generationen nicht verändert. Deshalb entwickeln wir neue Lösungen, die den Unternehmen helfen, ihre größten Herausforderungen zu bewältigen“, sagte Sami Atiya, Leiter des ABB-Geschäftsbereichs Robotik & Fertigungsautomation. „Die Erweiterung unseres Portfolios um dieses neue Kundensegment ist Teil einer umfassenderen Strategie.“

Die Automatisierung durch Roboter bietet für die gesamte Industrie enormes Potenzial zur Steigerung der Produktivität, der Effizienz sowie der Flexibilität in der Fertigung: von der automatisierten Fertigung modularer Häuser und Bauelemente abseits der Baustelle über das robotergestützte Schweißen und die Materialhandhabung vor Ort bis hin zum roboterbasierten 3D-Druck von Häusern und maßgeschneiderten Bauelementen.

Unter der Annahme, dass die Tätigkeiten gefährlich seien, entscheiden sich besonders jüngere Menschen oftmals gegen eine Karriere im Baugewerbe. Heute passieren rund 30 Prozent der Arbeitsunfälle auf dem Bau. Gleichzeitig ist die Gefahr, auf dem Bau in einen tödlichen Unfall verwickelt zu sein, mit geschätzt weltweit über 108 000 Todesfällen im Jahr viermal höher als in anderen Branchen.

ABB arbeitet mit führenden Universitäten wie mit der ETH Zürich zusammen, um gemeinsam neue automatisierte Bautechnologien zu entwickeln. Fotos: Gramazio Kohler Research ETH Zurich

Auch hier können Roboter einen Beitrag leisten und die Sicherheit erhöhen, indem sie große und schwere Lasten bewegen, in gefährlichen Bereichen arbeiten und neue, sicherere Bauverfahren ermöglichen. Damit trägt die Automatisierung dazu bei, dem Arbeits- und Fachkräftemangel in der Branche entgegenzuwirken und Bauberufe für junge Menschen attraktiver zu gestalten.

„Das neue Bewusstsein für Gesundheit, Sicherheit und Nachhaltigkeit beschleunigt die Investitionen in die Robotik massiv. Gleichzeitig sorgt das sinkende Angebot an Fachkräften dafür, dass die Bauindustrie zunehmend Roboter benötigt, um mit den Herausforderungen der Urbanisierung und des Klimawandels Schritt zu halten“, ergänzte Atiya. „Wir stellen unsere Expertise und unser branchenführendes Portfolio an Robotern und digitalen Tools in den Mittelpunkt der Wertschöpfungskette der Bauindustrie. Unsere Automatisierungslösungen ermöglichen schnelleres, erschwinglicheres und nachhaltigeres Bauen und wirken gleichzeitig dem Arbeitskräftemangel in der Branche entgegen. Denn Roboter können große und schwere Lasten bewegen, arbeiten in gefährlichen Bereichen und ermöglichen neue, sicherere Baumethoden.“

Bereits heute kann ABB Robotics auf eine Reihe an Pilotprojekten verweisen, bei denen Kunden ihre Flexibilität, ihre Produktivität und ihre Qualität durch Robotik steigern konnten. Dazu zählen die automatisierte Herstellung von Wänden, Böden und Decken für mehrstöckige bezahlbare Wohnbauprojekte bei Autovol in den USA, die robotergestützte Installation von Aufzügen beim Schweizer Aufzugshersteller Schindler sowie die automatisierte Herstellung von vorgefertigten Modulhäusern bei Intelligent City in Kanada. Hier hat sich laut Unternehmensangaben die Produktionsleistung um 15 Prozent und die Geschwindigkeit um 38 Prozent erhöht, während die Abfallmenge um 30 Prozent gesunken ist.

Beim schwedischen Bauunternehmen Skanska kommt eine roboterbasierte Schweißanwendung zum Einsatz, durch die Stahl-Bewehrungskörbe vor Ort hergestellt werden können. Durch Automatisierung konnten sowohl die Qualität als auch die Sicherheit und die Produktivität der Mitarbeiter verbessert werden, so ABB Robotics. Darüber hinaus konnte Skanska mit dieser neuen Lösung die Kosten ebenso wie die Umweltbelastung reduzieren, da die fertigen, sperrigen Bewehrungskörbe nicht mehr zur Baustelle transportiert werden müssen.

„Es wird immer schwieriger, Personal für schwere, zeitintensive Tätigkeiten zu finden, sodass wir in einem immer größeren Umkreis nach Arbeitskräften suchen müssen“, sagte Ulf Håkansson, Technischer Direktor bei Skanska Construction. „Dadurch, dass wir diese Aufgaben nun an Roboter übertragen, können wir unser Personal effektiver einsetzen. Außerdem entspricht Automatisierung auch den Erfahrungen und den Vorstellungen der nächsten Generation von Ingenieuren. Denn sie sind mit dieser Technologie aufgewachsen und damit von unschätzbarem Wert für uns, um neue Einsatzmöglichkeiten für Roboter in unserem Unternehmen auszuloten.“

ABB arbeitet bei der Entwicklung von neuen Automatisierungslösungen für die Baubranche mit mehreren renommierten Universitäten zusammen, unter anderem mit der ETH Zürich. An der führenden Forschungsuniversität in der Schweiz unterstützt ABB die Forschung im Bereich der robotergestützten Fertigung in der Architektur und im Bauwesen. Dadurch hat ABB dazu beigetragen, das weltweit erste Labor für kollaborative robotergestützte digitale Fertigung in der Architektur einzurichten, das am Institut für Technologie in der Architektur der ETH angesiedelt ist.

Juli/August 2021