Unter Digitalisierungsdruck

Cloud statt Aktenschrank, Online-Meeting statt Geschäftsreise, Bestellungen und Rechnungsversand über Kundenportale statt per Brief und Fax: Die Corona-Krise bedeutet für viele Baufirmen, sich noch stärker als bisher auf digitale Arbeitsabläufe und Prozesse umstellen zu müssen. Vor der Ausbreitung des Virus sah das noch ganz anders aus: Lediglich jedes vierte Unternehmen nutzte eine digitale Lösung für das eigene Geschäft. Mittlerweile seien es mehr als zwei Drittel, wie die dpa berichtet. Dies trifft in besonderem Maße auf analog arbeitende Branchen zu, wie den Bau. „Die Krise zeigt die Bedeutung und offensichtlichen Vorteile digitaler Technologie“, sagt Henning Lorenzen, Mitgründer und Geschäftsführer von bau digital. Sein Unternehmen vertreibt Software im Bereich der digitalen Bemusterung und Ausstattung von Neubauten. „Auch wir verzeichnen deutlich mehr Anfragen als noch vor einem Monat. In Zeiten von Homeoffice und Web-Meetings ist es natürlich sinnvoll, auch andere operative Prozesse zu digitalisieren. Jetzt nicht zu reagieren, kann Firmen später sehr teuer zu stehen kommen – das haben viele Unternehmen erkannt“, so Lorenzen.

Selbst Beamte, die der sogenannten E-Akte bis vor wenigen Wochen noch wenig abgewinnen konnten, stellen um – und arbeiten von zu Hause. Ein erzwungener Paradigmenwechsel, ohne den viele Baufirmen nicht weitermachen könnten. „Die Baubranche steht seit langer Zeit in den Startlöchern der Digitalisierung. Alle haben erkannt, dass digitale Prozesse unausweichlich sind, aufgrund der langanhaltenden Hochkonjunktur haben viele allerdings keine Dringlichkeit gesehen, wirklich etwas zu verändern. Das ist nun anders“, so Lorenzen. In der Baubranche sehe man nun die Chance, das zu tun, wovon Experten seit Jahren reden. Die Corona-Krise zwingt Firmen, auf digitale Abläufe umzustellen – und zwar schnell. Bauträger träfen Entscheidungen nun innerhalb von Tagen, nicht – wie bisher üblich – nach Wochen oder gar Monaten. Laut Lorenzen seien „insbesondere Bauträger, die Neubauten vertreiben, auf eine Lösung angewiesen, die trotz des Kontaktverbots eine Konfiguration und Bemusterung ermöglicht.“ Firmen erkennen nun zur Krisenzeit, dass digitale Prozesse in aller Regel effizienter sind und besser die Voraussetzung dafür schaffen, neue Produkte und Dienstleistungen an den Markt zu bringen.

Auch wenn der Betrieb auf vielen Baustellen in Deutschland noch aktiv ist, so kommt der Wohnungsbau ins Stocken. Denn Musterhäuser und Bemusterungszentren blieben – wie viele andere Einrichtungen auch – geschlossen. Für Wohnungsbauunternehmen ist es eine große Herausforderung, die Abwicklung der Kaufobjekte sicherzustellen und sowohl ihre Mitarbeiter als auch die Käufer zu schützen. Die Software Planstack ermöglicht eine digitale Bemusterung auch während der Corona-Krise. Von der Bemusterung über das Sonderwunsch- und Mängelmanagement bis hin zur Schlüsselübergabe werden alle Aufgaben über die webbasierte Anwendung koordiniert. Die Wohnung kann vom Käufer bereits als digitales Modell vollständig geplant und bemustert werden. Das Bauunternehmen erhält alle Informationen zur gewünschten Ausstattung inklusive Herstellerangaben, Material, Kosten, Lieferzeitpunkte und bearbeitet die Aufgaben im digitalen Projektmanagement-Tool – auch Nachunternehmer und Gewerke können direkt in Planstack beauftragt werden. Die Kommunikation läuft über den Echtzeit- Messenger.

Corona macht möglich, was jahrelang ausgebremst wurde. Die Umstellung auf digital, die Monate dauern sollte, vollzog sich vielerorts in wenigen Tagen. Viele Tech-Unternehmen wie bau digital haben sogar ihre Teams aufstocken müssen, um kurzfristig auf die starke Nachfrage zu reagieren. Steigende Nachfrage zum Thema digitaler Verwaltung verzeichnet auch PlanRadar. Das Unternehmen ist spezialisiert auf digitale Dokumentation und Kommunikation von Bau- und Immobilienprojekten und bietet mit seiner webbasierten SaaS-Lösung die Möglichkeit zur digitalen Baudokumentation sowie zum Mängel- und Aufgabenmanagement im gesamten Lebenszyklus von Bau- und Immobilienprojekten mittels Smartphone oder Tablet, auch offline. Ibrahim Imam, Geschäftsführer und Mitgründer von PlanRadar, sagt: „Die Corona-Pandemie ist zu einer massiven Bedrohung für die deutsche Wirtschaft geworden. Damit ist auch der Bausektor aufgrund von Personalausfall, Lieferengpässen und stockenden oder stehenden Baustellen betroffen. Gleichzeitig spüren wir schon jetzt, dass die Krise ein Katalysator für die Digitalisierung in der Bau- und Immobilienbranche ist. Bisher sprachen vor allem die Effizienzvorteile für die Digitalisierung von Prozessen. Jetzt ist auch die räumliche Unabhängigkeit ein bedeutender Faktor.“

Angesichts der Ausgangsbeschränkungen und dem daraus resultierenden Anstieg des Arbeitens im Homeoffice verzeichnet PlanRadar eine große Resonanz auf seine Webinar- und Informationsangebote. Sander van de Rijdt, Geschäftsführer und Mitgründer von PlanRadar, sagt: „Unternehmen sind gezwungen, ihre notwendigen Arbeitsprozesse digital abzubilden, das betrifft beispielsweise auch die Verwaltung von Baustellen, das Mängelmanagement oder die Dokumentation der Bauprojekte. Um Unternehmen einen Zugang zu diesen Themen zu ermöglichen, haben wir ein eigenes kostenloses Webinarangebot gestartet und sind überwältigt von der großen Resonanz. Pro Webinar verzeichnen wir etwa hundert Teilnehmer.“

„In der Corona-Krise zeigt sich die Bedeutung der Digitalisierung für Wirtschaft und Verwaltung mehr denn je. Der Aufbau digitaler Geschäftsprozesse und digitaler Geschäftsmodelle ist die Basis des künftigen Geschäfts.“

Achim Berg, Bitkom-Präsident

Mit einem Leitfaden, kostenlos erhältlich unter https://www.bitkom.org/Themen/Technologien-Software/Digital-Office/Reifegradmodell-Digitale-Geschaeftsprozesse.html hilft der Digitalverband Bitkom Firmen, ihre Geschäftsprozesse digital fit zu machen. Darin wird ein neuartiger Ansatz vorgestellt, mit dem kleine, mittelständische und große Unternehmen sowie Organisationen schnell und einfach eine Standortbestimmung ihrer Geschäftsprozesse vornehmen können. So erkennen sie nicht nur, wo sie in Sachen Digitalisierung schon stehen, sondern vor allem auch, wo es Handlungs- und Optimierungspotenzial gibt. „Digitale Geschäftsprozesse sind für Unternehmen essenziell. Digitale Innovationen sind nur in einem Umfeld denkbar, in dem die Arbeitsabläufe, Daten und Technologien digital ausgerichtet sind“, so Bitkom-Präsident Achim Berg. „In der Corona-Krise zeigt sich die Bedeutung der Digitalisierung für Wirtschaft und Verwaltung mehr denn je. Der Aufbau digitaler Geschäftsprozesse und digitaler Geschäftsmodelle ist die Basis des künftigen Geschäfts.“

Auch wenn die Leitung einer Baustelle vor Ort erfolgen muss und nicht vom Homeoffice aus funktioniert, so lassen sich dennoch viele administrative Aufgaben automatisiert und aus der Ferne abwickeln. Nicht immer muss der Bauleiter rund um die Uhr auf der Baustelle präsent sein – er hat auch mal Schriftverkehr zu erledigen, Verträge zu prüfen oder die Abrechnung zu machen. Genauso lassen sich Baubesprechungen via Webkonferenzen organisieren. Laut PlanRadar ist es schon seit Längerem möglich, eine vollständige Baudokumentation und effizientes Mängelmanagement von Bauprojekten aus der Ferne und mit geringen personellen Ressourcen abzuwickeln. Trotzdem werden Baustellen auf die Anwesenheit auf Bauleiter und Projektleiter nicht verzichten können.

Mai/Juni 2020