Pioniergeist trifft auf Lebensbefähigung

Zeppelin Universität (ZU) und Zeppelin Konzern verbinden nicht nur ein gemeinsamer Namensgeber – Ferdinand Graf von Zeppelin – sondern auch Werte und eine Förder-Partnerschaft. Professor Dr. Klaus Mühlhahn, Präsident und Geschäftsführer der Zeppelin Universität, und Peter Gerstmann, Vorsitzender der Geschäftsführung der Zeppelin GmbH, erörtern, was die Institution und das Unternehmen eint und wie beide zusammenarbeiten.

Professor Klaus Mühlhahn (links), Präsident und Geschäftsführer der Zeppelin Universität, und Peter Gerstmann, Vorsitzender der Geschäftsführung der Zeppelin GmbH, in der Zeppelin Universität. Fotos: Zeppelin Universität, Samuel Groesch

Peter Gerstmann: Sie sind vor wenigen Monaten aus Berlin nach Friedrichshafen gekommen und haben die Präsidentschaft übernommen. Wie haben Sie Ihre ersten Monate erlebt?

Professor Klaus Mühlhahn: Ich habe mich gefreut, hier eine neue Aufgabe zu übernehmen, und eine offene Universität erlebt, die mich willkommen geheißen hat. Auch die Region und Stadt haben mich gut aufgenommen. Ich sehe enormes Potenzial, die Uni weiterzuentwickeln – gerade bei Kooperationen zwischen der Region und der Universität.

Peter Gerstmann: Sie sind Professor für Sinologie und haben zuvor an der FU Berlin gelehrt, einer der größten öffentlichen Unis Deutschlands. Was hat Sie an eine private Stiftungsuniversität wie die ZU gezogen? Wo sehen Sie elementare Unterschiede?

Professor Klaus Mühlhahn: Ich habe viel Zeit an staatlichen Hochschulen verbracht und sowohl deren Stärken als auch Schwächen erlebt. Die Ur-Idee einer Universität beruht auf Innovation, Flexibilität und Agilität. Ich habe die Möglichkeit gesehen, diese Ur-Idee hier besser zu verwirklichen als in einer großen Institution, die sich oft wie ein „Riesentanker“ verhält und schon aufgrund der Größe weniger beweglich ist. Ich habe Pioniergeist und einen „Kick“ verspürt, hier etwas auf die Beine zu stellen, was man so woanders nicht machen kann. Wir haben hervorragende Betreuungsquoten, die uns ermöglichen, in engem Austausch mit den Studierenden diese zu beraten und zu motivieren, was sehr geschätzt wird. Dieses direkte Miteinander ist ein großer Unterschied. An staatlichen Universitäten gibt es Betreuungsquoten von eins zu achtzig; wir sind hier bei eins zu sechs. Das ist ein Alleinstellungsmerkmal und drückt sich auch im Engagement der Studierenden aus. Zudem sind wir in engem Austausch mit der Wirtschaft wie dem Zeppelin Konzern. Bei der Kooperation geht es zum einen um die finanzielle Förderung. Mindestens genauso spannend und wichtig ist aber zum anderen der Austausch, das Lernen und das gegenseitige Verstehen. Wir sind unternehmens-, wirtschafts- und praxisnah. Zeppelin unterstützt die ZU seit der Gründung. Was schätzen Sie an der Partnerschaft?

Peter Gerstmann: Wir haben Aufgaben und Fragen, die wir mit Studierenden und Professoren erörtern. Die Stiftungslehrstühle, die wir unterstützen, geben ihr Wissen entsprechend an uns zurück. Sie begleiten beispielsweise unsere Strategie-Meetings. Wir halten so den Dialog zwischen Unternehmen und Wissenschaft offen. Deshalb haben wir auch „Verbindungsmitarbeiter“, die kontinuierlich mit der ZU arbeiten und den Austausch weiterentwickeln.Professor Klaus Mühlhahn: Wo können wir noch mehr voneinander lernen: in der Praxis oder in der Wissenschaft?

Peter Gerstmann: Die Partnerschaft bietet uns die Möglichkeit, junge Leute für Zeppelin zu begeistern und somit vielleicht auch künftige Mitarbeiter zu gewinnen. Aber das beinhaltet, dass wir junge Leute verstehen lernen und unsere Recruiting-Programme ein Stück weit maßschneidern können. Gerade das Thema der Generation „yz“ ist eine Herausforderung für alle Unternehmen. Diese hat andere Wertvorstellungen, Ideen und Erwartungen an den Beruf und Arbeitgeber. Die ZU ist ein wunderbares „Spielfeld“ für uns, das erkennen wir etwa an einigen gemeinsamen Projekten. Zudem haben wir bei Gastvorlesungen die Chance, ins Gespräch zu kommen. Auch an konkreten Aufgaben können und sollten wir weiterarbeiten. Da gibt es zum Beispiel einen Professor, der sich sehr für die Volkswirtschaften Osteuropas interessiert – das sind wichtige Märkte für uns. Wir tauschen uns aus. Die Studienplätze an der ZU sind begehrt und die Interessenten durchlaufen einen Auswahlwettbewerb. Dabei geht es nicht allein um akademische Leistungen.

Professor Klaus Mühlhahn: Ich bin stolz darauf, dass wir hier nicht auf Zeugnisse der Kandidaten schauen. Wir versuchen in jedem Bewerber und jeder Bewerberin Potenzial zu sehen. Was bringt sie oder er mit? Wie kann er sich entwickeln? Wie passt sie zu uns? An speziellen Auswahltagen bitten wir die Bewerber, Aufgaben zu bearbeiten. Wir wollen sie als Persönlichkeiten erleben und suchen junge Menschen mit Pioniergeist, die neugierig, innovativ sowie engagiert sind und sich für die Welt interessieren. So haben wir es geschafft, eine tolle Gemeinschaft zu etablieren; quasi im Einklang mit unserem Namensgeber Ferdinand Graf von Zeppelin, der diesen Pioniergeist verkörperte.

Peter Gerstmann: Sie begeistern auch junge Menschen für Start-ups. Seit 2003 haben Studierende über 120 Unternehmensgründungen durchgeführt. Was ist das Erfolgsrezept?

Professor Klaus Mühlhahn: Wir haben mit unserem Gründungszentrum „PionierPort“ ein eigenes Format entwickelt, das praktisch unser Inkubator ist. Dort fördern wir Gründungen, indem wir Business- und Projektpläne unterstützen. Ich sehe die ZU als eine unternehmerische Universität, in der wir diesen Geist des Unternehmertums, des Gründens und des Gestaltens verkörpern und den Studierenden helfen, das anzuwenden. Wir haben verschiedene Formate, wie etwa Vortragsreihen, bei denen Unternehmer von ihren Erfahrungen berichten. Das Besondere ist, dass wir das wissenschaftlich begleiten und eine „Multiperspektive“ bieten. Wir zeigen den Gründern, wie sie sich von verschiedenen Seiten ihren Projekten nähern können, um verschiedene Dimensionen zu verstehen. Wir sind stolz auf die Unternehmen, die aus unserer Uni hervorgegangen und sehr erfolgreich sind, wie der Modeschmuck-Hersteller „Stilnest“, die Fernbus-Pioniere DeinBus.de oder das Sozialunternehmen „Rock Your Life!“.

Peter Gerstmann: Wenn man den deutschen Hochschulmarkt betrachtet, sieht man ein großes und vielfältiges Angebot. Jede Nische ist besetzt, das meiste im öffentlichen Raum, das heißt, ohne Studiengebühren. Wie kann die ZU Studierende anziehen?

Professor Klaus Mühlhahn: Der Hochschulmarkt in Deutschland ist schwieriger als zum Beispiel in den USA, wo Studiengebühren normal sind. Wir dagegen konkurrieren mit einem Produkt, das anderswo umsonst angeboten wird. Da müssen wir uns klar positionieren, abgrenzen und in vielem besser sein, etwa bei der Lehre und Bildungsvermittlung sowie bei aktuelleren Inhalten. Wir müssen einen klaren Mehrwert bieten. Dieser besteht darin, dass unser Angebot besser auf die berufliche Praxis bezogen ist oder dass wir in unseren Bildungsinhalten aktuelle Entwicklungen schneller aufgreifen als andere. Der Zeppelin Konzern arbeitet mit vielen familiengeführten Bauunternehmen zusammen. Die ZU verfügt über mehrere eingegliederte, fächerübergreifende Forschungsinstitute, unter anderem das „Friedrichshafener Institut für Familienunternehmen“. Wo können wir diese speziell ausgelegte Ausbildung noch besser an die Bedürfnisse der Unternehmen anpassen?

Peter Gerstmann: Ich kann nicht als Familienunternehmer sprechen, sondern eher aus Sicht desjenigen, der mit vielen mittelständischen Familienunternehmen zusammenarbeitet. Was ich bemerke: Unternehmer lassen ihre Kinder sehr gut ausbilden, oft im technischen Bereich, etwa als Bauingenieur. Es fehlt dann häufig noch der „letzte Schliff“, den die ZU hervorragend leisten kann. Da geht es um Themen wie soziale und gesellschaftliche Verantwortung, Zukunftsorientierung und Nachhaltigkeit, aber auch um Führung. Wie gehe ich mit Menschen um, wie begeistere ich sie für einen Markt oder ein Unternehmen? Rechnungswesen oder Marketing allein machen nicht die Betriebswirtschaft aus, sondern man braucht auch die Befähigung, ein Projekt oder ein Unternehmen zu managen oder ein Problem zu lösen. Es ist eine große Herausforderung, diese Befähigungen zu vermitteln und ich glaube, besonders Privatuniversitäten können es sich leisten, einen Schwerpunkt zu setzen. Wichtig ist der Nachfolgeplan. Was wird von der nächsten Generation Unternehmer erwartet, wie können sie ihre Bedürfnisse in die Gestaltung des elterlichen Betriebs einbringen? Das sind Fragen, die Generationskonflikte auslösen. Verständnis zu schaffen und eine Brücke zu bauen – durch gute Ausbildung – wäre wertvoll für diese Unternehmen. Die ZU bietet jedoch nicht nur universitäre Lehre, sondern macht auch berufsbegleitende Angebote. Mit Management-Ausbildungskursen richtet sie sich an Unternehmen. Alles Formate, die nicht rein universitären Charakter haben.

Professor Klaus Mühlhahn: Wir haben berufsbegleitende Masterprogramme, zum Beispiel in den Bereichen digitale Geschäftsmodell-Innovationen für Nachfolger und Fremdgeschäftsführer in Familienunternehmen. Da stelle ich mir noch weitere Initiativen vor und möchte, dass wir neue Zertifikatsprogramme aufstellen, die präziser auf bestimmte Bedürfnisse abzielen. In einem solchen Programm soll man konkrete Kenntnisse erwerben. Ich glaube, wir können da noch mehr machen, auch in Zusammenarbeit mit Unternehmen – etwa zu Nachhaltigkeit, im Rechnungswesen oder im Controlling. Das wäre perfekt für ein Zertifikatsprogramm, das sich an Menschen wendet, die im Rechnungswesen tätig sind, denen wir aber spezifisch neue Kenntnisse mitgeben können. Sie sind Diplom-Betriebswirt und seit vielen Jahren erfolgreich in einem Unternehmen mit technischer Ausrichtung. Wenn Sie zurückdenken – was war für Sie aus heutiger Sicht das Wichtigste, das Sie im Studium gelernt haben?

Peter Gerstmann: Als mich mein Sohn fragte, welches Studienfach ich ihm empfehlen würde, kamen wir auf Betriebswirtschaft. Ich habe ihm gesagt: „Wenn Du BWL studierst, hast Du einen Riesenvorteil. Das ist ein lebensbefähigendes Studium. Man lernt alles, was man fürs Leben braucht: mit Geld umgehen, sich zu vermarkten, sich zu positionieren und strategisch in die Zukunft zu denken.“ Das habe auch ich in meinem Studium gelernt. Wie gehe ich mit der Zukunft um, wie gestalte ich sie, wie bin ich dafür gerüstet? Dass ich das alles in meinem Beruf weitertragen konnte, hat mir viel Spaß gemacht. Es kommt immer darauf an, wie „befreit“ man als Betriebswirt ist. Ich bin zwar von der Ausbildung her Controller, aber mich hat immer mehr die Frage interessiert, wie gelingt es mit Controlling, eine Zukunft für das Unternehmen zu gestalten. Die strategische Seite, die Langfristigkeit von Planung, die Improvisation, die entsteht, wenn man den Plan nicht erreicht, weil man scheitert – all diese spannenden Aufgaben in ein Unternehmen einzubringen, war immer eine Herausforderung für mich. Aber wie können wir künftig junge Menschen noch besser auf die Anforderungen des Berufslebens vorbereiten?

Professor Klaus Mühlhahn: Interessant, dass Sie Ihr Studium als „lebensbefähigend“ bezeichnet haben. Das ist auch das, was wir verfolgen: konkrete Kenntnisse vermitteln, aber ein ausgewiesenes Spezialistentum wollen wir vermeiden. Es geht darum, das große Ganze zu sehen, aber trotzdem konkrete Fähigkeiten zu erwerben. Für die erfolgreiche Zukunft von jungen Menschen gibt es zwei wichtige Punkte, die herausstechen. Sie müssen die Notwendigkeit erkennen – und auch die Fähigkeit haben – sich im Laufe ihres Berufslebens mehrfach weiterzubilden. Sie müssen sich gegebenenfalls „neu erfinden“, indem sie sich neues Wissen aneignen. Nötig sind die Bereitschaft und die Geduld, die man dazu braucht. Ein langer Atem ist dabei unverzichtbar. Außerdem ist Resilienz sehr wichtig: Auch in der Krise zu bestehen, nicht aufzugeben, ein klares Ziel langfristig und konsequent zu verfolgen, selbst unter schwierigen Umständen. Erst bei meinem Studienaufenthalt in China hatte ich die Gelegenheit, mir das anzueignen. Das Durchhaltevermögen ist etwas, das man trainieren kann.

Peter Gerstmann: Das hat auch damit zu tun, scheitern als Lernbasis zu akzeptieren und wieder aufzustehen. Eine Frage an den Sinologen: Darf man in China scheitern?

Professor Klaus Mühlhahn: Man darf scheitern, aber niemals aufgeben.

Peter Gerstmann: Wie sehen Sie die Verteilung der Macht in der Welt, gerade nach den US-Wahlen? Welche Rolle werden China und die USA spielen und welche Rolle wird uns Europäern dabei zuteil?

Professor Klaus Mühlhahn: Ich befürchte, die Spannungen und Konfrontation zwischen USA und China werden zunehmen. Weit über die bisherige Trump-Regierung hinaus werden bestimmte Kernaussagen zu China auch von den Demokraten geteilt. Dahinter steht eine Rivalität. Die USA waren es seit dem Zweiten Weltkrieg gewohnt, die Welt zu dominieren, und das ist nicht länger der Fall. China ist ein echter Wettbewerber. Wir Europäer müssen aufpassen, in diesem Konflikt nicht zwischen die Mühlen zu geraten. Was ist unser Interesse und was sind unsere Werte? Wofür stehen wir? Das fordert ein neues Nachdenken und wird eine zentrale Frage der Zukunft sein.

September/Oktober 2020