Multi-Unternehmer Kurt Zech über strategische Übernahmen und wie er damit die Weichen stellt

Er ist Bauunternehmer, Immobilienentwickler und Investor, betreibt Hotels wie die Atlantic Hotel Gruppe, ist Eigentümer einer der größten Energie- und Agrarfirmen und hält zig Industriebeteiligungen – häufig steigt er nach einer Insolvenz ein. Die Rede ist von Kurt Zech. Von seinem Vater übernahm er 1978 den Baubetrieb in Bremen mit zwei Mitarbeitern, einem Lkw und einer Betonmischmaschine, so wird es kolportiert. Was Kurt Zech daraus machte: die international agierende Zech Group mit einer Bilanzsumme von 1,56 Milliarden Euro und über 9 000 Mitarbeitern, die in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Brasilien und England agieren. Die Managementholding umfasst über 300 Unternehmen in den Sparten Bau, Immobilien, Hotels und Industrie. Allein im schlüsselfertigen Hochbau ab hundert Millionen Euro aufwärts führen nur wenige Wege an Zech vorbei, sagt der Multi-Unternehmer selbst. Denn seit der Übernahme der damals insolventen Imtech Deutschland, heute ROM Technik, wird damit die Haustechnik komplett aus einer Hand angeboten. Längst sind durch die Beteiligung an Cree auch immodularen Holzhybridbau dien nächsten Weichen gestellt, und dies soll zu mehr Automatisierung und klimaneutralem Bauen führen. Aber Kurt Zech geht noch weiter, indem er die ganze Produktionskette für die Baustelle bedient. Für die Herstellung von Betonfertigteilen hat er Teile des ehemaligen Carbon Rotec-Geländes gekauft und er übernahm die Spedition W&F Franke sowie Mahlstedt, damit dann Fertigteile transportiert werden können. So bleiben Geschäfte und Gewinne alle unter einem Dach. Mit dem Vorstandsvorsitzenden Kurt Zech unterhielten sich Fred Cordes, Vorsitzender der Geschäftsführung der Zeppelin Baumaschinen GmbH, und die Redaktion Baublatt.

Kurt Zech:
„Die Übernahmeder Imtech, heute ROMTechnik, hat uns unter die ersten drei Hochbaudienstleister in Deutschland katapultiert.“

Fred Cordes: Bislang ist die Baubranche ganz gut durch die Corona-Krise gekommen, weil weitergearbeitet werden konnte. Wie läuft es bei Ihnen?

Kurt Zech: Der Geschäftsbereich Bau hat derzeit einen fantastischen Lauf. Wir profitieren im Augenblick von der Situation: Bei Aufträgen über hundert Millionen Euro im schlüsselfertigen Hochbau gibt es letztendlich neben uns nur noch einen Bieter. Es ist von Vorteil, dass wir die ROM Technik haben und so wurden wir Generalunternehmer beim Deutschlandhaus am Gänsemarkt in der Hamburger Innenstadt mit einem Auftragsvolumen von 110 Millionen Euro. Hier handelt es sich um einen Neubau mit einer Bruttogrundfläche von rund 40 000 Quadratmetern, der Platz bietet für knapp 30 000 Quadratmeter Flächen für Büros, rund 4 000 Quadratmeter Flächen für Einzelhandel und Gastronomie sowie 2 000 Quadratmeter Flächen für rund 30Wohnungen. Hinzu kommen zwei Untergeschosse mit knapp 10 000 Quadratmetern, auf denen unter anderem 164 Tiefgaragenplätze entstehen. Durch die Übernahme von Imtech aus der Insolvenz heraus und durch Zukäufe anderer Firmen sind wir der größte Anbieter im schlüsselfertigen Hochbau. Deswegen können wir auch 1 500 Mitarbeiter für die Tesla-Baustelle stellen. Das kann derzeit kein anderer.

Kurt Zech (links), Vorstandsvorsitzender der Zech Group, im Gespräch mit Fred Cordes, Vorsitzender der Geschäftsführung von Zeppelin Baumaschinen.

Fred Cordes: Wenn man solche Mammutprojekte bekommt, wie löst man das im Hinblick auf die Kapazität?

Kurt Zech: Bei uns arbeitet ein großes Team. Wir bauen derzeit noch am BER.

Baublatt: Wird er denn jetzt Ende Oktober fertig?

Kurt Zech: Ich habe darauf gewettet. Wir halten unser Versprechen ein. Wenn die Arbeiten beendet sind, können etliche hundert Mitarbeiter statt am BER nun beim Bau der Tesla-Fabrik mitarbeiten. Aber wenn wir 1 500 Mitarbeiter einsetzen, brauchen sie Unterkünfte sowie Verpflegung und das alles in Corona-Zeiten. Das ist eine große Herausforderung.

Fred Cordes: Sie können noch so gute Vorsichtsmaßnahmen treffen, aber hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht. Wie wirkt sich die Corona-Krise auf Ihre geschäftlichen Aktivitäten aus?

Kurt Zech: Mit allen Nachteilen, die diese Pandemie bringt, ist es auch eine Chance. Natürlich gibt es im BereichHotel massive Rückgänge bei Übernachtungszahlen etwa aufgrund vonwenigerGeschäftsreisenden. Wir haben uns aber erst kürzlich entschieden, mitten in der Krise das Hotel Louis am Viktualienmarkt als Betreiber zu erwerben und somit unser Angebot weiter auszubauen. Wir investieren antizyklisch.

Fred Cordes: Wann ist Ihr Interesse geweckt, zu expandieren und eine Firma oder Beteiligung zu erwerben?

Kurt Zech: Die Zech Group ist gewachsen durch Firmenübernahmen, weil sich Betriebe in einer schwierigen Situation oder in einer Insolvenz befanden. Es sind deutlich über 50 Unternehmen, die wir so übernommen haben. Zeitweise haben wir das opportunitätsgetrieben gemacht. Mittlerweile sind wir dazu übergegangen, dass wir auf einen strategischen Mehrwert für unsere Firmengruppe achten. Wir haben zum Beispiel die Mehrheitsbeteiligung an der vom Traditionsunternehmen Cadolto Fertiggebäude neu gegründeten Cadolto Modulbau GmbH übernommen. Das ist ein Spezialunternehmen für Stahlmodulbau. Inzwischen sind wir hier in Richtung schwarze Zahlen unterwegs. Das hat länger gedauert und mehr Geld gekostet als gedacht. Das war bei der Imtech genauso. Wir haben 2 300 Mitarbeiter übernommen und das Geschäft aufgebaut. Bevor wir eine Struktur eingeführt haben, hatten wir 30 Millionen Euro reingesteckt. Heute sind wir froh, dass wir das gemacht haben. Wir sind im Bereich Haustechnik und mit anderen Firmen, die wir übernommen haben, bei 600 Millionen Euro Leistung.

Baublatt: Sie haben aus dem Baubetrieb Ihres Großvaters und Vaters ein Imperium an 300 Firmen aufgebaut, das sich schon lange nicht mehr rein auf Ihre Heimat Bremen erstreckt. Bedingt durch die Corona-Krise wird eine große Pleitewelle befürchtet. Klopfen viele Firmen derzeit bei Ihnen an und fragen, ob Sie als Investor einsteigen wollen?

Kurt Zech: Mittlerweile ja. Es kommt bei Übernahmen auf Geschwindigkeit an, gerade wenn es um Ingenieure geht, die ein gefragtes Gut sind. Opportunistisch war, als wir Maturus Finance gekauft haben. Das ist kein klassischer Neufinanzierer, sondern eine Leasinggesellschaft, die immer dann finanziert, wenn zum Beispiel andere die Finanzierung verweigern. Sie stellt nicht ab auf die Unternehmensbilanz, sondern führt mittelständischen Unternehmen durch „Sale & Lease back“ von deren gebrauchtem, mobilen Anlagevermögen frische Liquidität zu. Hier gibt es viele Tiefbaufirmen, die das nutzen, weil sie einen großen Maschinenpark haben, der unbelastet ist. Dann haben wir eine Beteiligung, die mit Distressed Loans handelt, also von Banken Insolvenzpakete kauft. Das beinhaltet Forderungen an Insolvenzverwalter. Banken wollen die leidenden Kredite abgeben, weil sie keine Kapazitäten zur Bearbeitung haben. Daraus erhalten wir viele Informationen. Die erste insolvente Firma habe ich Anfang der 80er-Jahre erworben. Mittlerweile haben wir ein großes Netzwerk an Experten und einen großen Erfahrungsschatz. Unser Leiter der Rechtsabteilung hat inzwischen an 30 Übernahmen mitgewirkt. Unser Ziel ist es, die gesamte Administration nach Bremen zu holen. Dort sind auch unsere zentralen Abteilungen und Stabsstellen wie Controlling, Rechnungswesen, Steuern und Recht, Buchhaltung, Finanzen, Human Resources, IT und Kommunikation. Diese informieren unsere Beteiligungen und es geht an die Ausrichtung der Organisation. Deshalb ist die Integration relativ einfach, weil wir „nur“ das operative Geschäft auf neue Beine stellen müssen.

Fred Cordes: Sie übernehmen Firmen, die ihren Betrieb an die Wand gefahren haben. Wo sehen Sie dann in solch einer verfahrenen Situation noch Potenzial?

Kurt Zech: Unternehmen sind wegen der Corona-Krise, durch Liquiditätsengpässe oder weil ein Großauftrag oder -kunde weggefallen ist, in eine schwierige Situation gekommen. Wir versuchen, zu analysieren, warum sie in dieser Lage sind. Dann schauen wir das Potenzial der Mitarbeiter oder die Produkte an. Wenn wir glauben, dass es zu uns passt, befassen wir uns näher damit.

Fred Cordes: Sie scheinen doch vieles anders zu machen und ein glückliches Händchen zu haben.

Kurt Zech: Unsere Stärke ist, dass wir in die Lücke stoßen zwischen einem Mittelständler und einem Konzern. Während der eine schnell entscheiden kann, aber finanzielle Grenzen hat, ist der andere behäbiger in den Reaktionen. Bei der Übernahme der Imtech hatten wir genau fünf Tage Zeit.

Fred Cordes: Haben Sie einen Deal, der bislang der strategisch wertvollste war?

Kurt Zech: Das war ohne Frage die Übernahme der Imtech, heute ROM Technik. Die Abkürzung steht für Rudolph Otto Meyer Technik und geht auf das 1997 von Imtech erworbene traditionsreiche Unternehmen gleichen Namens zurück. Imtech war 2015 in die Insolvenz geraten. Bürgschaftsversicherer waren raus. Banken wollten nicht mehr weiterfinanzieren und die guten Leute wollten schnell von Bord. Unser Management war gespalten: Die einen waren für die Übernahme, die anderen dagegen. Ich stand in der Mitte. Wir mussten 2 300 Mitarbeiter integrieren. Zuerst war es eine große Belastung für unsere Verwaltungsorganisation und hat uns Geld gekostet. Letztlich hat es uns in ein anderes Universum katapultiert. Es war eine einmalige Chance. Es war der beste Deal, sowohl wirtschaftlich als auch strategisch. Die Anbieter von Großprojekten sind immer weniger geworden. Wenn Sie heute ein schlüsselfertiges Projekt anbieten, macht rund 30 Prozent davon Haustechnik aus.

Baublatt: Ist da das eigentliche Geld zu verdienen?

Kurt Zech: In der Haustechnik liegt das große Risiko, weil kaum überschaubar. Seit den 60er-Jahren gab es eine Gewerkeaufteilung mit Projektsteuerern und Architekten, welche die Ausschreibung machten. Das EU-Vergaberecht wurde immer komplexer. Man ging über zu Generalunternehmern. Viele Konzerne kamen aus dem Rohbau und wollten schlüsselfertig bauen. Einige haben sich zwar Kompetenzen durch Ingenieure geholt, welche die TGA beaufsichtigt haben, doch es ist viel kaputt gemacht worden, weil Dinge verkauft wurden, die man nicht selbst konnte. So wurden viele Nachträge geschrieben. Wir haben auch darunter gelitten. Unsere Philosophie ist längst eine andere: Wir wollen nur das verkaufen, was wir auch selbst beherrschen. Die entsprechenden Kompetenzen haben wir erworben, indem wir Ingenieurbüros gekauft haben. Darüber hinaus haben wir Zulassungen für Sprinkleranlagen, Lüftung, Heizung usw. Durch die Übernahme von Imtech sind wir Marktführer geworden. Bei Großprojekten gehen Zech Bau und Zech Technik, wie sie zukünftig heißen, zusammen und machen eine vertikale Arge – jeder verantwortet seinen Bereich. Das ist unsere Stärke.

Fred Cordes: Das heißt also, Sie haben hier einen unschlagbaren Wettbewerbsvorteil und fast schon ein Alleinstellungsmerkmal?

Kurt Zech: Die Übernahme der Imtech hat uns unter die ersten drei Hochbaudienstleister in Deutschland katapultiert. Welche Bedeutung Haustechnik hat, zeigt folgendes Beispiel: Auf der Insel Riems sitzt das Friedrich-Loeffler-Institut. Es widmet sich Forschungsaufgaben rund um den Schutz vor Infektionskrankheiten und Seuchen. Am Standort Jena soll nun neu gebaut werden und hier haben wir ein Angebot mit der Bietergemeinschaft Hochtief abgegeben. Da machen die Leistungen allein für die Haustechnik rund 70 Millionen Euro aus. Wer kann das in dieser Summe gesamthaft anbieten? Es gibt viele Firmen, die im Elektrobereich, Brandschutz oder im Bereich Sanitär und Heizung ihre Kompetenzen haben, aber mittlerweile gibt es kaum noch jemand, der alles übernimmt und verantwortet, wie die Planung, das Schnittstellenmanagement und das Risiko. Das haben wir in einer Unternehmensgruppe gebündelt, und das war für die Unternehmensentwicklung ein Meilenstein. Anders war es mit dem Einstieg in die Schifffahrt.

Baublatt: Hier haben Sie mittlerweile die Reißleine gezogen, oder?

Kurt Zech: Das hat mich als Investor viel Geld gekostet, aber nicht alles war schlecht, manche Geschäfte waren auch ganz gut. Derzeit leiden alle Reedereien massiv unter dem Einbruch des Geschäfts. Gerade habe ich mit einem großen Reeder gesprochen. Er befürchtet, dass es noch zu großen Verwerfungen kommen wird. Fast alle Schiffe liegen auf. Wir fuhren normalerweise Schwergut, was man nicht in Container verladen kann, wie etwa Turbinen oder Windkraftanlagen. Zudem transportierten wir Öl und Gas. Aber derzeit werden angesichts der niedrigen Preise weniger fossile Brennstoffe befördert.

Fred Cordes: Die Bundesregierung will nun mit neun Milliarden Euro die Wasserstofftechnologie fördern. Sie selbst haben auch an einem Konzept für einen Windpark und ein Elektrolysewerk an der Ostsee gearbeitet, in dem mit Strom Wasserstoff gewonnen und dieser dann transportfähig gemacht wird.

Kurt Zech: Da gibt es Überlegungen, aber große Investments haben wir noch nicht. Ich finde es gut, wenn Wasserstofftechnologie gefördert wird. Wir haben schon ein damit betriebenes Fahrzeug im Fuhrpark. Mein Eindruck und meine Wahrnehmung sind: Man redet viel darüber, aber konkrete Maßnahmen fehlen bislang. Bei Wasserstofftechnologie geht es um Investitionen im Milliardenbereich. Das wäre für uns zu groß. Deshalb sind wir erst noch in einer Projektphase und nicht in einer Realisierungsphase. Wir haben Gespräche mit Leuten aus der Automobilindustrie und Automotive geführt. Deren Meinung ist: Elektrotechnik wird keine Alternative zu dem Schwerlastverkehr, weil Batterien zu schwer sind. Transporte über weite Strecken oder von schwerer Ladung werden eine Sache für Wasserstofftechnologie. Allerdings braucht es größere Tanks. Anders ist es in Städten. Da werden Zulieferer elektrisch unterwegs sein.

Fred Cordes: Mit welchen Trends und neuesten Entwicklungen rund ums Bauen beschäftigen Sie sich denn aktuell?

Kurt Zech: Wir glauben an CO2-neutrales Bauen. Daher wird es in Kürze Zech Systeme geben, wowir unsere Kompetenzen aus dem Rohbau und der Fertigteilproduktion einbringen. Mit 75 Prozent sind wir beteiligt an Cree, einem Holzhybrid-Modul-Bauunternehmen. Außerdem haben wir den Stahlmodulanbieter Cadolto und ROM Technik. Das ganze Know-how wollen wir bündeln, indem der Rohbau dann in Zukunft die Gründung übernimmt. Über Cree können wir einen Holzhybridbau realisieren, indem wir ein Deckensystem aus Beton und Holz verbauen. Aus Stahlbauteilen bauen wir Fahrstuhlschächte und Treppenhäuser ein. Langfristig wird es kaum noch Fachpersonal auf der Baustelle geben. Daher ist der Plan, dass wir viel mehr im Vorfeld automatisiert in der Fabrik vorfertigen und so wenig wie möglich auf der Baustelle. Damit sinken die Fehlerquellen, weil vieles zu einem Industriestandard vorgefertigt werden kann, und wir können Bauvorhaben schneller realisieren. Noch sind wir hier erst am Anfang einer neuen Entwicklung.

Fred Cordes: Bei dem „Handwerkerhaus“ in der Überseestadt von Bremen wollten Sie den Rohbau in 14 Tagen hochziehen. Wie waren Ihre Erfahrungen?

Kurt Zech: Einmalig ist hier die computergestützte und hybride Modulbauweise, mit der wir sogar vier Tage schneller mit dem Rohbau fertig waren als geplant. Die kurze Bauzeit wird durch einen hohen Vorfertigungsgrad der Holzhybrid-Module sowie einer digitalen Planung erreicht, sodass vor Produktionsbeginn ein vollständiger „digitaler Zwilling“ erzeugt wird. Dieses digitale Modell ist die Grundlage für eine elementgenaue Ablaufplanung. So konnten wir mit vorgefertigten Elementen aus Holz in Verbindung mit Holzhybrid-Betondecken, die per Tieflader just in time angeliefert wurden, ein Bürohaus mit vier Etagen und einer Bruttogeschossfläche von 3 200 Quadratmetern in nur zehn Tagen errichten. Nicht eingerechnet die eingeschossige Tiefgarage mit 86 Stellplätzen, der Erdgeschosssockel und der Treppenhauskern aus Stahlbeton, die konventionell entstanden sind. Das „Handwerkerhaus“ ist ein Versuch mit Open Space, also mit einer offenen Büro-Großraumarchitektur. Das war anfangs sehr radikal, wenn man bedenkt, wo die Mitarbeiter vorher in Einzelbüros saßen. Es gab zunächst viel Kritik, aber wir haben modernste Haustechnik, sodass das Arbeitsklima sehr angenehm ist. Jetzt will keiner mehr zurück – alle sind glücklich. Diese Umstellung hat bis zu einem Jahr gedauert. Wie immer: Jede Veränderung verursacht erst einmal Gegenstimmung. Aber wir testen solche Bürosysteme eben aus. Das ist für uns auch ein Versuchslabor.

Baublatt: Am Europahafenkopf in Bremen entsteht Ihre neue Firmenzentrale. Die Fertigstellung ist für 2021 geplant. Bleibt es dabei oder werden nun weniger Büros gebraucht, weil Homeoffice der neue Trend ist?

Nicht über den Dächern von Nizza, sondern über Bremen am Firmensitz der Zech Group tauschten sich Kurt Zech und Fred Cordes aus. Am Horizont der Europahafenkopf. Dort entsteht die neue Firmenzentrale. Fotos: Baublatt

Kurt Zech: Bisher gibt es kein halbwegs belastbares System zur Messung der Qualität und Quantität der Arbeitsleistung im Homeoffice. Das ist sehr unterschiedlich. Ein weiterer Aspekt: Bei Homeoffice werden soziale Kontakte sehr reduziert. Damit kommt auch nicht jeder gleich gut klar. Es gibt Mitarbeiter oder Bereiche, die dauerhaft ins Homeoffice gehen können, etwa im IT-Bereich, und andersherum gibt es Bereiche, da funktioniert es gar nicht. Deswegen wird es keine Lösung geben, die generell gilt. Sicherlich wird in Zukunft ein gewisser Prozentsatz der Mitarbeiter i im Homeoffice arbeiten. Hinzu kommen flexible Arbeitsplätze, also Shared Desk-Lösungen. Aber Einzelbüros werden nicht ganz verschwinden. Doch es gibt Firmen, mit englischer oder amerikanischer Kultur, da ist das Thema Verdichtung schon weiter. Da sind die Schreibtische nur noch 1,20 Meter lang und für vertrauliche Gespräche gibt es sogenannte Think Tanks, also einzelne Zellen, in die man sich dann eben zurückziehen kann.

Fred Cordes: Wir hatten auch geplant, uns am Firmensitz in Garching zu vergrößern. Aber aufgrund von Corona und der verstärkten Nutzung von Homeoffice schauen wir uns die Entwicklung an und warten damit noch ab. Ich glaube, all die verschiedenen Formen haben ihre Berechtigung. In Zukunft, denke ich, wird es einen Mix an Arbeitsplätzen geben.

Kurt Zech: Mitarbeiter, die viel unterwegs sind, werden in einer neuen Bürokonzeption keinen festen Schreibtisch mehr haben, sondern nur noch einen Shared Desk. Das wird kommen.

Baublatt: Sie sagten mal: „Ich versuche, nur die Geschäfte zu machen, die ich verstehe.“ Wie stellen Sie trotzdem sicher, dass Sie sich bei der Vielzahl der Einzelunternehmen nicht verzetteln?

Kurt Zech: Wir verdienen nur Geld mit Kunden und nicht mit der Eigenorganisation. Deswegen müssen wir jede Entscheidung am Kunden ausrichten. Wir haben zum Beispiel ein Qualifizierungsprogramm aufgelegt und bieten darüber weit über 1 500 Kursplätze an. Erst hieß es: Jeder kann alles buchen. Aber es muss doch für das Unternehmen einen Mehrwert haben, wenn man Weiterbildungsangebote nutzt. Man kann Englischkurse anbieten, aber nur für die Mitarbeiter, für die es auch Sinn macht, aber eben nicht für den Bauleiter, der regional einen Umbau macht. Solche Entwicklungen verselbstständigen sich leider in einem Konzern, gegen die man permanent gegensteuern muss. Ich bin da ein ständiger Mahner und es stört mich, wenn man nicht im Sinne der Unternehmensgruppe denkt. Am Anfang habe ich versucht, das ruhig und vernünftig zu erklären, aber mittlerweile bin ich zur Schocktherapie übergegangen. Wir sind aus einem Familienunternehmen gekommen und in eine Konzernstruktur gewachsen, die man als Familienunternehmen nur schwer beherrschen kann. Aber diese Kultur muss man schnell ausrollen und da müssen wir viel Kraft reinstecken. Früher kannte ich noch jeden in der ersten und zweiten Führungsebene, das ist aufgrund unserer Größe und überregionalen sowie internationalen Struktur nicht mehr machbar. Unser Ansatz ist es, das Headquarter in Bremen zu haben und von dort alles zu steuern.

Fred Cordes: Ich halte es für einen wesentlichen Punkt, dass man eine Unternehmenskultur nicht per Videokonferenzen aufrechterhalten kann, sondern sich gerade bei einer überregionalen Struktur persönlich begegnen und „in die Augen sehen muss“ und dass Mitarbeiter regelmäßig im eigentlichen Sinn „zusammen“-arbeiten und sich austauschen.

Kurt Zech: Wenn wir Firmen übernehmen, holen wir neue Bereichs- und Abteilungsleiter nach Bremen, damit sie quasi Stallgeruch bekommen und verankert werden. Es ist natürlich schon so, dass Kunden und Mitarbeiter mich auch mal sehen wollen. Das ist der Unterschied zwischen einer Aktiengesellschaft und einem Familienunternehmen. Zech ist nicht nur ein Firmenname, sondern da steht die Familie dahinter. Letztlich sind die Visitenkarte und mein Firmenname für die Akquisition schon wichtig. Da kann ich den Namen auch mal ausspielen. Schauen Sie sich mal das derzeit herausforderndste Bauprojekt in Deutschland im Hinblick auf den Terminplan an. Bei der neuen Fabrik von Tesla in Grünheide wirken maßgeblich drei Familienunternehmen mit: Goldbeck, Max Bögl und Zech. Das wäre vor 20 Jahren kaum vorstellbar gewesen. Hier hätten Philipp Holzmann, Bilfinger Berger und Hochtief mitgewirkt. Die gesamte deutsche Bauindustrie ist inzwischen bis auf Strabag und Züblin geprägt vom großen Mittelstand und inhabergeführten Unternehmen. Und auffallend ist immer noch, dass in der Regel der Familienname im Firmennamen und in der operativen Geschäftsführung präsent ist.

Fred Cordes: Positiv und typisch ist für die Baubranche und deutsche Wirtschaft die mittelständische Struktur. Ein gesunder Mittelstand kommt uns in Krisenzeiten zugute und investiert weiter. Manche Konzerne stellen ihre Investitionen in Krisenzeiten wie Corona reflexartig ein.

Kurt Zech: Es gibt Auftraggeber, die Zahlungsziele einfach mal so um 30 Tage verlängern, obwohl es feste Verträge gibt und unsere Leistung erbracht wurde. Da wurden Investitionen mitten im Bau einfach gestoppt. Was mich aufregt: Große Abteilungen erarbeiten eine Unternehmenskultur und formulieren Grundsätze und Werte, aber in solchen Zeiten wird das für manche Makulatur.

Fred Cordes: Wie sind Sie damit zufrieden, wie uns Angela Merkel bislang durch die Krise navigiert hat?

Kurt Zech: Unsere Politik hat vieles richtig gemacht. Die Frage ist: Wie geht es nun weiter? Ich möchte hier mal eine Anekdote erzählen. Wir sitzen in Besprechungen auf Abstand, tragen Mundschutz oder sind digital per Videokonferenz zugeschaltet. Die Teilnehmer tauschen sich darüber aus, wie es ihnen geht und sind bedingt genervt über die Maßnahmen. Dann erzählt einer von seiner 90-jährigen Mutter. Sie sagt ihrem Sohn: Schau mal aus dem Fenster. Was siehst Du? Er sagt: Menschen sind draußen auf den
Straßen. Sie sagt ihm: Vor 75 Jahren war Kriegsende. Es gab Tote und alles lag in Schutt und Asche. Ich weiß nicht, worüber Du Dich beschwerst. Was ich damit sagen will: Wir jammern auf hohem Niveau. Es gibt genug zu essen und zu trinken. Wir haben unsere Jobs oder Kurzarbeit. Sogar das Reisen ist unter Einschränkungen möglich. Schauen Sie mal nach Brasilien. Dort brach vor einem Jahr ein Staudamm. Wir haben dort den Auftrag, eine Stadt wiederaufzubauen und haben 3 000 Leute beschäftigt. Die Baustelle ist wegen Corona komplett geschlossen worden und wir mussten die Leute nach Hause schicken. Sie haben für einen Monat Lohn bekommen. Da gibt es kein Arbeitslosengeld und keine Kurzarbeit. Da wissen Sie, was ernste Probleme sind.

Baublatt: Obwohl wir in Deutschland um unsere Situation beneidet werden, ist man nie hundert Prozent zufrieden mit unserem Staat.

Kurt Zech: In Deutschland schimpfen alle immer gerne über die Politik. Doch man muss sich nur im Ausland umschauen, ob zu Trump in den USA, zu Johnson in England oder zu Orbán in Ungarn. Wo gibt es eine bessere Regierung als in Deutschland und wo gibt es eine bessere soziale Absicherung und wo ein besseres Schul- und Ausbildungssystem, mal von einigen Ländern Skandinaviens abgesehen? Natürlich ist hier nicht alles perfekt, aber in der Summe der Dinge geht es keinem Land so gut wie unserem. Keine Frage: Wir müssen unser 5G-Netz und die erforderliche Infrastruktur ausbauen. Da muss unsere Regierung auch schneller werden und sie macht hier und da Fehler. Nichtsdestotrotz wurde die Corona-Krise in Deutschland einigermaßen gut gemeistert. Ich denke, wir können mit Abstand halten und Maske tragen leben im Verhältnis zu dem, was die Konsequenz, sprich Intensivstation und künstliche Beatmung, wäre, wenn uns das Virus trifft.

Baublatt: Problematisch war es für die Eltern mit dem Homeschooling, wenn sie Arbeit und Kinderbetreuung unter einen Hut bringen mussten. Da hat sich gezeigt, wie schlecht unsere Schulen auf Digitalisierung vorbereitet sind.

Kurt Zech: Bei uns in der Firmengruppe wurde schon versucht, darauf Rücksicht zu nehmen. Was ich nicht nachvollziehen kann, sind die Demonstrationen gegen Corona. Viele junge Leute verstehen nicht, dass Sie derzeit eben keine Party machen können. Andere in dem Alter leben in einem Krisengebiet. Wir haben eine Ausnahmesituation, welche die meisten in ihrem Leben noch nicht hatten. Man kann diese Einschränkungen wirklich einmal akzeptieren. Die letzten zehn Jahre hatten wir eine ansteigende Konjunktur. Das führte dazu, dass die Mitarbeiter und Berufsanfänger auch immer höhere Forderungen an die Unternehmen hatten. Das wird sich in Zukunft wieder relativieren. Schulabgänger und Absolventen von der Uni mit besten Noten wachen gerade auf. Ihnen stand gerade noch die ganze Welt offen. Sie strotzten vor Selbstbewusstsein. Nun hagelt es eine Absage nach der anderen, weil Firmen Einstellungsstopp verhängt haben. Ein anderes Phänomen sind Start-ups. Viele haben Geschäftsideen, die noch nie im echten Geschäftsleben standen, aber Investoren haben Geld hineingepumpt und so durften viele ihre Ideen zwei bis drei Jahre ausprobieren. Sie landen nun aber auf dem Boden der Realität, weil es eben nur bei Ideen bleibt. Wir haben auch immer wieder Anfragen, ob wir einsteigen oder nachinvestieren. Ich bin allerdings dafür, dass jemand schon auf eigenen Füßen stehen muss. Sonst wird es nichts.

September/Oktober 2020